The Project Gutenberg EBook of Interessante Wanderungen durch das Sächsische Ober-Erzgebirge, by Christian Gottlob Wild This eBook is for the use of anyone anywhere in the United States and most other parts of the world at no cost and with almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or online at www.gutenberg.org. If you are not located in the United States, you'll have to check the laws of the country where you are located before using this ebook. Title: Interessante Wanderungen durch das Sächsische Ober-Erzgebirge Author: Christian Gottlob Wild Release Date: March 25, 2017 [EBook #54427] Language: German Character set encoding: UTF-8 *** START OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK INTERESSANTE WANDERUNGEN *** Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by SLUB: Sächsische Landesbibliothek - Staats - und Universitätsbibliothek Dresden at http://www.slub-dresden.de )
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Zur
Belehrung und Unterhaltung
herausgegeben.
Freyberg, 1809.
in Commission bey Craz und Gerlach.
welche die Ursachen der Geringschätzung der Erzgebirgischen Gegenden und die Absicht dieser Schrift angiebt.
Es waren die schönsten, die glücklichsten Tage meines Lebens, wo ich mit einem Herzen voll Unschuld und Frohsinn, wo ich noch voll seliger Ruhe die Berge der theuern Heimath erstieg, auf ihren Höhen weilte, durch jene traulich stillen Thäler irrte, – wo ich das Erzgebirge durchwanderte. Sie sind nicht mehr, die glücklichen Tage! – Wie durch graue Wetter das goldene Abendgewölk lächelnd dahin schwebt: so lächelt mir rosig die Vergangenheit durch die Risse ewiger[ii] Ungewitter; – ich starre kindisch froh das liebliche Gebild an, ich sehe sie wieder, die wonneseligen Tage meiner Knabenzeit, sehe wieder die frohen Spiele der Unschuld auf beblümter Wiese, – dort steht mit ihrem Schatten die alte, weitästige Buche; dort lehnt sich am bebuschten Hügel der ernste Fels empor, ihn umklettern weidende Ziegen, – dort rinnt im grünen Moose der silberne Quell. O! daß sie leider nicht mehr sind, jene glücklichen Tage! – –
Doch immer denke ich an dich, theures, liebes Erzgebirge! Ich fühle mich getröstet, eine neue Sonne geht mir auf. Darum habe ich beschlossen, dich und deine Schönheiten gefühlvollen Naturfreunden zu schildern, für diese Provinz Sachsens Aufmerksamkeit erregen, die sie nicht minder als die Gegend bei Schandau verdient; denn auch hier sind heilende Bäder zu Wolkenstein etc. Vielleicht gelingt es mir, manche lächerliche Meinungen und Sagen von dem obern Erzgebirge, denn auf dieses nur beziehe ich mich, zu widerlegen und zu tilgen, die Unwissenheit in Rücksicht einiger Gegenstände desselben in genauere Kenntniß zu verwandeln[iii] und so Interesse und Beifall für dasselbe zu erwecken.
Es kann überhaupt unter die leidigen Schwächen der Menschen mit gerechnet werden, daß sie am häufigsten immer nur nach dem ganz sinnlich Angenehmen streben und doch jeden etwas beschwerlichen Weg dahin zu vermeiden suchen, ja bisweilen aus dieser widerstreitenden Ursache sich lieber jedem andern angenehmen Eindrucke trotzig entziehen. Ich halte daher denjenigen nicht eben für einen ächten Freund der Natur, welcher nur immer auf duftigem Blumenlager, umschattet von den goldbefruchteten Bäumen Italiens, von Nachtigallen zauberisch umflötet, am weichen Ufer des Silberkieselbachs zu ruhen wünscht, dem Sybariten gleich.
Am wenigsten aber kann ich einen Sachsen für einen Kenner, Verehrer und Freund seines Vaterlandes halten, wenn er von demselben mit kleinlicher Verachtung und Geringschätzung schwatzt, – wenn er nicht sein Vaterland durchreißt oder wenigstens doch aus Schriften kennen[iv] lernt, sondern die Hotels des Auslandes bereichert. Fern sei es von mir, das Reisen in fremde Länder zu tadeln, – dieses wäre thörigt: aber vorher sollte man doch erst sein Vaterland kennen. – Mancher wird mich hier mitleidig lächelnd fragen: »Was ist denn im Erzgebirge besonders zu sehen? Etwa ein Berg, oder ein Fels, ein schlechter Weg, oder Ellen hoher Schnee? – Oder soll man in Schächte und Stollen fahren?« – Wer weiß all das elende Geschwätz, welches man einwerfend vorbringt und ohne Scheu und Scham schon vorgebracht hat! – Dieses ganze Buch möge antworten! –
Um der Ehre vieler Sachsen willen glaube ich aber auch, daß der Mangel einer naturhistorischen Beschreibung des obern Erzgebirges jene Unbekanntschaft und Geringschätzung desselben zur Folge gehabt habe, obgleich im Einzelnen manche Skizzen besonderer Gegenstände existiren. Diese Skizzen, ohne sie etwa zu tadeln, dürfen jedoch nicht unter diejenigen Schriften gezählt werden, welche mannichfachen Genuß gewähren, Interesse dafür und Verlangen nach den beschriebenen[v] Gegenständen erwecken, noch weniger als Wegweiser angesehen werden können. Daher möchte man fast behaupten, daß von dem obern Erzgebirge die allerwenigsten und unvollständigsten Nachrichten da wären;1 daß man allen Fleiß und alle Aufmerksamkeit nur den reichen Gängen seines Schooßes widmete und, statt seine Gegenden und übrigen Merkwürdigkeiten zu beschreiben, nur das löthige Silber aufschrieb, welches man gewann.
O! eurer vergaß man, ihr stillen friedlichen Thäler, wo in dürftigen Hütten zufriedene Armuth wohnt, – wo über funkelnde Steine crystallne Bäche sich schlängeln und die grünen Wiesen tränken, – wo der Friede Gottes ruht! – Eurer vergaß man, ihr heimlichem dunkeln Tannenwälder, wo zwar nicht Nachtigallen flöten, wo keine saftigen Früchte den Gaumen reitzen und nicht der müssigen Spatziergänger Schaar lärmt:[vi] aber verstohlen ein Vöglein singt, wo die purpurne Erdbeere verschämt unter ihrem Dreiblatt schwillt, – wo hoher Ernst weilt, wo im frischen, elastischen Moose gelagert der Denker ruhig und ungestört in andere Gefilde sich schwingen und eines Himmels sich freuen kann; – wo unglückliche Liebe weinend und mit verschlungen Armen am bekränzten Felsenblocke lehnt! –
O! eurer vergaß man, ihr Berge, ihr silber schwangern Stützen des Himmels, wo man, erhoben über dieser Erde schimmernden Tand, am Sonnenthrone der Gottheit knieen und ihre beglückende Gegenwart tief in der Brust fühlen kann, – wo man nicht mehr Mensch ist, sondern rein aus der gebrechlichen Hülle tritt und mitleidig hinunter auf all das eitle Thun der Menschen blickt! – Man vergaß eurer, ihr Felsen, wo im schaurigen Dunkel greiser Tannen, die Wehmuth ins Thal starrt, – die ihr, ein Bild männlicher Größe, in stürmender Wetter grausen Schrecknissen fest stehet, – um die beim Schimmer der Sichel die Eule flattert und Beute hascht! – Eurer vergaß man, ihr murmelnden[vii] Bäche, die ihr den Wiesengrund belebt und dem Müller im Thale sein Brod bescheert, – in deren crystallener Kühle bunte Forellen und Schmerlen scherzen, an deren bebuschten Ufern der Knabe weilt und sich Ruthen schält! Deiner ward nicht gedacht, du rauschender Waldstrom, der du über deine Felsen schäumest, durch dichter Fichtengebüsche nickende Reihen dich drängend! – Nicht ward eurer gedacht, ihr schönen, romantischen Gegenden, wo man bei dem Anblicke einer jeden, in einer jeden möchte sein Leben unter den biedern, herzlichen Naturmenschen zu bringen! So laß mich hier, glückliche Vergangenheit, noch einmal in den Spiegel deiner Erinnerungen blicken, noch einmal so manche abgeschiedenen Freuden vorüber gleiten, laß mich die theuern und geliebten Menschen sehen, die ich kannte und noch kenne! Ach! manche sind schon heim gegangen! –
Woher aber rührt jene Unbekanntschaft mit den Naturschönheiten des obern Erzgebirges? – Woher kommt es wohl, daß der Bewohner anderer Sächsischer Provinzen[viii]2 wenig oder gar keine Kenntniß jener Gegenstände besitzt, – daß es ihn Fabel dünkt, wenn man von den Bergen, Thälern, Gegenden und riesigen Felsen des obern Erzgebirges erzählt? –
Hält man meine Meinung nicht für übertrieben und hart, so will ich diese Fragen überhaupt zu beantworten suchen. Ich glaube, daß dieses erstlich daher komme, weil, wie ich schon erinnert habe, keine genaue und reelle Beschreibung der Naturmerkwürdigkeiten des obern Erzgebirges da ist, indem man Mühe und Beschwerlichkeiten, eine solche zu liefern, scheute, und voraus zu sehen glaubte, daß man dafür kein verhältnißmäßiges Honorar erhalten würde und könnte. Ferner ließ man sich durch übertriebene Mährchen elender Weichlinge täuschen, und endlich will man lieber das Ausland, als sein Vaterland kennen lernen.
Gewöhnlich scheut man es sehr, jene Berge zu erklimmen, durch jene dunkeln Tannenwälder zu[ix] irren, jene Felsen zu ersteigen, über rauschende Bäche zu setzen, durch Schluchten und Höhlen zu kriechen, um – die Schönheiten der Natur kennen zu lernen. – Und doch ist man geschwind mit dem Ausdrucke fertig: »es ist dort zu rauh!« – Von einer Gegend gebraucht, ist dieses eigentlich ein nichts sagender Ausdruck. Denn was kann man in der Natur rauh nennen? wer kann es nennen? – Sind es hohe Berge? sind es Fichten-, Buchen-, Tannenwälder? sind es Felsen, Thäler, Bäche, Auen, Wiesen und Haine? Ist ein Wald rauher, als der andere, ein Fels, ein Thal rauher, als die andern? – In der That, ich kann keine Gegend, absolut rauh nennen. –
Und wenn man das Klima rauh nennt, so muß ich mich wundern, wie man sich vorstellen kann, daß nur allein im obern Erzgebirge das Klima rauh seyn soll, wenn in andern Gegenden und Provinzen Sachsens die Sonne scheint. Im Winter wird man doch nicht reisen, um Gegenden zu besehen und im Winter ists bei Dresden eben so rauh, als im Erzgebirge, denn Eis und[x] Schnee trifft man im Winter in unserm Sachsen doch überall an. Komme man aber im Sommer aus dem sandigen, heißen Niederlande in das obere Erzgebirge, und athme dann eine frische Luft ein, die auf jenen Höhen weht, und empfinde die angenehme Wärme in den Thälern, – kurz, kommt ihr, die ihr das Gebirge verachtet, wenn bei euch angenehme Witterung ist, in das Erzgebirge, und es wird euch eben die Sonne scheinen, und eben die Lüfte werden euch umwehn, ihr werdet euch beschämt sehen. Freilich ist der Winter oft stürmischer und härter, dafür aber sind es Berge. –
Manche haben keinen Stein des obern Erzgebirges gesehen, und schwatzen dennoch, wie viele andere; dieß rührt von den übertriebenen Mährchen unberufener Erzähler her, und derjenige, welcher sich vorher keinen Begriff von dem obern Erzgebirge und der natürlichen Beschaffenheit desselben machen konnte, wird von kleinlichen Vorurtheilen und überspannten Idee'n angefüllt, daß er sich auf diese Art oft dem Lächeln und dem Mitleide verständiger und gebildeter Erzgebirger[xi] aussetzt. So sähen viele Sachsen es lieber, wenn das Erzgebirge eine fette Kornkammer wäre, obgleich die Anzahl der Producte, die es liefert, größer ist, als fast in irgend einer Provinz; so hat man, wenn Theurung im Gebirge war in den übrigen Kreisen die vollen Speicher verschlossen gehalten, hat nicht gegen Geld und Bitten dem Hunger abwehren wollen; (einige edle,3 patriotische Familien ausgenommen!) hat die Fuhrleute, die viele Meilen weit in Commission kamen, leer zurück fahren lassen, wenn sie nicht die enormsten Summen für das taube Getraide zahlten! Hätten nicht die nachbarlichen Böhmen oft den Erzgebirgern Getraide und Lebensmittel zukommen lassen, hätte nicht auch vorzüglich der allgeliebte Friedrich August, der Vater des Vaterlandes, seine Milde gegen das Erzgebirge so rühmlich bewiesen, ach! wer weiß, was man würde gehört haben! – Man verzeihe mir diese Herzenserleichterung, ich habe Wahrheit gesprochen! –
Durch die gegenwärtige freie Schilderung, welche man als einen Versuch ansehe, habe ich Freunden der Natur- und Vaterlandskunde einen Pfad bahnen wollen, den man in Zukunft erweitern und verbessern und so sich Vergnügen und Nutzen mancher Art verschaffen kann. Man verkenne meine Absicht nicht, ich meine es redlich. –
W******,
im August, 1807.
C. G. Wild
I. Johanngeorgenstadt und die umliegenden nähern und entferntern Gegenden. (Erzählung der Erbauung dieser Stadt, – ihre Lage, Feldbau und Klöppelwesen, u. s. w.)
1. Die Teufelskanzel oder der Schneiderfels.
2) Die Gegend am Schwarzwasser nach Breitenbrunn.
3) Der Teufelsstein bei Steinbach.
4) Der Auersberg. (abentheuerliche Reise dahin.)
Der Aufgang der Sonne auf dem Auersberg. (Eine Novantike für Freunde der Natur.)
5) Von Wildenthal über Eibenstock nach Ober- und Unterblauenthal.
6) Der Weg von Sosa nach dem Blaufarbenwerke.
7) Die Gegend um Bockau.
II. Schneeberg und die umliegenden nähern und entferntern Gegenden. (Schilderung von Schneeberg, – Lage, Gegend und Vorzüge. z. B. das Lyceum, Konzert, Bürgermuseum u. d. g.)
1. Der Kleesberg. Allerlei Merkwürdigkeiten von demselben.
2) Das Gerichtswäldchen und das Hammerholz.
3) Die Eisenburg bei Willbach. Nebst einem Gedichte.
4) Ueber Stein zur Prinzenhöhle. (Schloß Hartenstein.)
5) Ueber Schnorrensguth und Auerhammer nach Celle.
6) Uebrige Gegend um Schneeberg.
III. Vorzügliche Feste der obern Erzgebirger.
1. Die Fastnacht. (Besonders zu Johanngeorgenstadt.)
2) Weihnachten. (Schnitzeln, Heiligchristspiel, Speisen, Illumination etc.)
IV. Besondere Gebräuche.
1. Das Hutzengehen.
2. Die Aschermittwoche.
3. Der Walpurgisabend.
4. Das Osterficken.
5. Der Pfingstlümmel.
6. Der Johannisabend.
V. Vorzügliche Vergnügungen.
1. Das Vogelstellen im Herbste. (die verschiednen Arten.)
2. Im Winter das Ruscheln.
3. Schneehäuser, Schneemänner, Lavinen.
VI. Kurzes Gespräch zweier obergebirgischer Bergleute. (Nebst einer hochdeutschen Uebersetzung.)
VII. An das Erzgebirge. (Ein kurzes Gedicht.)
Man muß aus Böhmen kommen, man muß aus der gesegneten Saazer Gegend in das allmählig immer waldigere und steilere Gebirge Böhmens kommen um die Verschiedenheit des Klimas und der Natur selbst kennen zu lernen; um sehen zu können, wie der fruchtbarste Boden nach Abnahme der Meilen minder fruchtbar und endlich ein steiniges Riesengethürm wird, wie die gefällige, ährenwogende Gegend, nach der Grenze zu, ernster, finstrer und wilder wird; wie die seufzenden Obstbäume am Ende in dunkle Tannenforste sich verwandeln, wie das flache Land in deutlichen Stufen zum großen Gebirge anwächst. Es ist sehr interessant, diesen abgestuften Uebergang vom Gefälligen und Fruchtbaren zum minder Gefälligen und minder Fruchtbaren wahrnehmen zu können. Aber es ist auch[2] wiederum um so interessanter, den stufenweisen Abfall des minder Gefälligen und minder Fruchtbaren wahrzunehmen; zu sehen, wie die finstern, waldigen Gebirge allmählig sich erheitern und mit freundlichem Fuße das flache Land berühren; wie der steinige Boden nach und nach fruchtreich sich endigt, wie die ernsten wildromantischen Gegenden allmählig heiter und freundlich werden und endlich den gefühlvollen Naturfreund entzücken. – Dieses nun ist der Fall mit dem sächsischen obern Erzgebirge und vorzüglich mit dem, welches sich an die waldigen Gebirge Böhmens anschließt.
Ich glaube daher besser zu thun, wenn ich den Leser zuerst von Johanngeorgenstadt aus führe, sodann über Schneeberg nach Zwickau zu, oder über Geyer und die Gegenden nach Annaberg und Chemnitz. Denn so bemerkt man sehr deutlich, wie allmählich das Klima milder und der Boden besser wird, wie die Gegenden sich nach und nach in lachende und gefällige verwandeln. Es wird daher nicht unzweckmäßig seyn, wenn ich zuerst von Johanngeorgenstadt und der umliegenden Gegend im Allgemeinen spreche, da dieser Ort durch seine Entstehung, seine Lage, seinen Bergbau und durch das Spitzenklöppeln zum Theil nicht unbekannt und uninteressant seyn wird. –
Eine hohe Bergkette, welche in einem schrägen Halbzirkel von Mittag gegen Mitternacht sich fortzieht, nennt man in der dasigen Gegend[3] den Fastenberg und theilt ihn ein in den vordern, mittlern und hintern. Auf diesem Fastenberge nun ist Johanngeorgenstadt gebaut und zwar auf dem vordern, hart an der böhmischen Gränze. Zur Zeit nämlich, als der lutherische Religionsbegriff in Sachsen der herrschende geworden war und in allen Provinzen dieses Landes der Wahrheit himmlisches Licht die Nächte des Irrwahns zu verscheuchen angefangen hatte; zur Zeit, als noch finstre, dichte und ungeheure Waldungen den Fastenberg bedeckten und noch (nach eines alten Schriftstellers Ausdrucke) die Bären brummten, die Wölfe heulten, die Füchse bellten, zu dieser Zeit waren an Böhmen die ehemals Schwarzenbergischen Städte Platten und Gottesgabe abgetreten worden. Doch der Religionshaß der Katholiken drückte die lutherischen Einwohner auf alle mögliche Art, und ungeachtet der vom Kaiser Ferdinand in dem errichteten Vertrage mit Johann Georg I. versprochenen Religionsfreiheit, kam schon 1653 der kaiserliche Befehl: daß die Lutheraner entweder römischkatholisch werden, oder mit Zurücklassung ihrer Haabe und Güter das Land meiden sollten. – Es war dieses ein nicht unerwartetes, aber hartes Gebot, und es fragt sich, ob die Lutheraner jetziger Zeiten das würden thun, was ihre ältern Brüder damals thaten. – Die meisten trennten sich von ihrem Eigenthum, von der häuslichen Ruhe, von den zurück bleibenden Blutsverwandten und Freunden, flohen bei[4] Nacht, ohne Aussicht, ohne Mittel, sich irgendwo in die alten Familienverhältnisse wieder zurückzubringen, wieder Haus, Vieh und Feld besitzen zu können. Dennoch um der erkannten Wahrheit willen ließen sie Alles zurück und zogen über die Gränze, ließen sich mitten in einem grausen Walde, in der wildesten Gegend Sachsens, auf den Fastenberge nieder, wo seit dreißig Jahren von Bergleuten aus Platten und Eibenstock ein kleiner Zinn- und Eisenstein-Bergbau getrieben wurde. Da die meisten dieser Ausgewanderten nach den Kenntnissen der damaligen Zeit erfahrne und geschickte Bergleute waren, so untersuchten sie an einigen Stellen den Fastenberg und sieh da! sie fanden bald das gediegenste Silber. – Voll Freude und den Fingerzeug der Gottheit darin erkennend, berichteten sie es an den damaligen Churfürst Johann Georg I., welcher ihnen sogleich die Fortsetzung des Bergbaues gestattete, daß sie sich unterdessen einigermaßen anbauen konnten. Da ich aber nicht die eigentliche Geschichte Johanngeorgenstadts schreiben will, so werde ich das nöthigste nur kurz erzählen.
Da die Anbrüche sich mehrten, so erhielten sie endlich die Erlaubniß eine Stadt anzubauen, welche sie auch nach dem Namen ihres huldvollen Beschützers Johanngeorgenstadt nannten; dieß geschah 1654, ein Jeder mußte ein Stück Wald urbar machen, welches dann sein eigen war. Denn die ganze Gegend war, wie ich schon erwähnt habe, dichter, finstrer Wald und[5] man muß die außerordentliche Betriebsamkeit, die schwere Arbeit und den unablässigen Fleiß dieser Leute bewundern, die es, und in der Folge ihre Nachkommen, dahin brachten, daß man jetzt beynahe eine Stunde weit im Umkreise anstatt Waldung, Felder und Fluren erblickt! – –
In der Ansicht von Morgen nimmt sich die Stadt vorzüglich gut aus, indem sie sich auf dem allmählich aufsteigenden Rücken des Fastenbergs in ihrer Länge gleich emporlehnt und man den Durchschnitt der Gassen wahrnehmen kann, deren jede in gerader Richtung fortläuft; und dann da, wo die Häuser nach der Morgenseite zu sich endigen, zieht sich der Berg schroff und steil herab, daß es scheint, als würden die Häuser herabstürzen, daß man auch, um von Wittichsthal aus in die Stadt kommen zu können, die Wege schneckenförmig im Zickzack angelegt hat. Uebrigens ist es in Johanngeorgenstadt recht hübsch und lebhaft, die Einwohner sind gutmeinende, treuherzige Leute und die Liebe der dasigen Bergleute vorzüglich gegen ihren Friedrich August ist auffallend. –
Man bemüht sich außerordentlich, den Boden zu kultiviren und es fängt auch an, zu gelingen. Freilich sind Erdäpfel das meiste, was man baut, aber diese sind auch das Hauptproduct, indem sie immer gut und in Menge gerathen, Vieh und Menschen ernähren müssen und den niederländischen gar sehr können vorgezogen werden. Die vielerley Speisen, welche man[6] daraus bereitet, lassen sich nicht aufzählen. Ueberhaupt thut dem erzgebirgischen Ackerbau die Witterung den meisten Schaden, denn der Boden an und für sich selbst, durch das häufige Düngen, ist wirklich besser, als man ihn zu finden wähnt und die Erzgebirger können hoffen, daß er in Zukunft gut werde werden, da man durch häufiges Abschlagen der dichten Waldungen dem Klima gewissermaßen zu Hülfe kommt. – Korn baut man auch bei Johanngeorgenstadt, aber freylich ist dieser Feldbau riskanter; weniger riskirt man mit dem Hafer. Das Obst geräth nicht so gut, und wenn es ja zur gehörigen Reife gedeiht, behält es immer noch einen scharfen Geschmack. –
Gleich unten im Thale an der Stadt liegt das Hammerwerk Wittichsthal, welches einem kleinen Dorfe gleicht und durch die fast immer im Gange sich befindenden Eisen- und Blechhütten, durch Fuhrwerk, Mühlen und mehrere rauschende Bäche sehr viel Lebhaftes erhält. Ueberhaupt liegt Wittichsthal recht angenehm, und man hat einen erfreulichen Anblick, wenn man es oben von der Stadt herab betrachtet. Hinter dem sogenannten Herrenhause dehnen sich lange Wiesen und Aecker aus, an deren Ende hinten das Schwarzwasser vorbei sich schlängelt, welches zwischen den böhmischen Gebirgen aus dunklem Forste hervorfließt und so einen schönen Anblick gewährt. An dem jenseitigen Ufer desselben erhebt sich allmählich, mit Aeckern und Feldern an[7] seinem Fuße, der Rabenberg, eine Gebirgskette, die sich von der böhmischen Gränze an längs dem Schwarzwasser bis gegen Breitenbrunn hinabzieht; doch nennt man nur einen gewissen Theil derselben den Rabenberg. Weiter oben am Saume der Waldung, welche sich in Mischung mit Buchen und Birken, und grotesken Felsentrümmern, auf dem Rücken dieses Gebirgs ausdehnt, liegt ein kleines Pachtgut, welches zu Wittichsthal gehört. Nun aber wollen wir ein wenig umkehren und durch Wittichsthal bei mehrern Zechen vorbei nach dem kaiserlichen Zollhause zu und von da bei Gelegenheit auf eine kurze Zeit über die Gränze gehen, damit wir Alles besehen. Dieses Zollhaus liegt hart an dem Gränzbache, dessen Wasser roth sieht und weiter unten, wo es in das Schwarzwasser sich ergießt, ein angenehmes Farbenspiel erblicken läßt. Hinter dem Zollhause steigt das sogenannte Kaiserwäldchen (Kaserwalle nach gebirgischer Mundart) auf, welches sich bis gegen ein böhmisches Blaufarbenwerk fast hindehnt, ungefähr eine kleine Viertelstunde weit. Dieses Blaufarbenwerk (sein jetziger Besitzer ist ein Herr Bürgermeister Elster) liegt in einem engen, allmählich sich erweiternden Thale, von Felsen und schwarzem Forste zur Seite und hinten umgeben, indem ein hoher Berg sich hinter dasselbe herabzieht, der sich in einer mit grauen Felsen bespitzten Zunge bei der böhmischen Hammermühle endigt und den Zusammenfluß des Breitenbachs und des Rothenbachs geschehen läßt. Diese sogenannte Hammermühle[8] präsentirt sich sehr abstechend und freundlich. Von da gehen wir nun weiter und sehen, wie das Elstersche Haus aus dem dunklen Hintergrunde so angenehm hervorblickt. Ihm gegenüber, ungefähr dreißig Schritte, erhebt sich ein waldloser, grüner Gebirgstheil, worauf hie und da einige Häuser stehen, davon eines der obersten man die Marianne benannt, welches von den Johanngeorgenstädtern fleißig wegen des da zu habenden guten, böhmischen Bieres und der herrlichen Aussicht besucht wird. Wir wollen auch einmal einkehren, da uns das Bergsteigen sauer geworden ist; wir wollen uns erst durch einen Trunk und dann durch die Aussicht laben. –
Nun, lieber Leser, du hast dich gelabt, hast die Reinlichkeit bewundert, welche in diesem Hause herrscht, und willst nun der entzückenden Aussicht genießen. Komm und sieh, und freue dich!
Vor deinen Füssen senkt sich des Berges grünbegraßter Abhang hinab zum Ufer des rauschenden Breitenbachs, an welchem in silberglänzenden Holzstößen die Bachstelze und der Sperling einträchtig nisten und fröhlich umherschwärmen. Wende dein Angesicht gegen Mittag und sieh die Menge der kleinern und größern waldigen Berge, die, wie Gräber, bald in lichterem bald in dunklerem Grün emporragen und den Himmel zu tragen scheinen. Nun sieh zu deiner Linken, wie der Saum des Kaiserwäldchens sich in einem Bogen herabzieht und endlich weiter unten bei[9] den Felsenblöcken in einzelne Tannen sich verliert. Und unten im Thale erblickst du die Straße nach Platten, immer von Menschen betreten; der Breitenbach bildet nun einen Bogen und zieht sich längs dem schroffen Ende des Berges hinab, silbern blitzend. Gleich hinter den Blaufarbenwerk-Gebäuden erhebt sich steil und hoch ein ernster Berg, hie und da einige Felsenruinen und oben das Ende eines Tannenwaldes, den kein Strahl der Sonne durchdrang. Immer schräger senkt sich der Berg hinunter, wie das grausende Grab eines Giganten, und endigt sich vornen bey der Mühle in felsige Terrassen; die einzelnen, niedrigen Häuschen erhöhen das Romantische. Alles dieses hast du nahe vor dir. – Aber, nun sieh, wie hinter diesem Gigantengrabe sich rechts der mit Aeckern, Feldern und Gebüschen geschmückte, vordere Fastenberg hemisphärisch zeigt, wie im Thale an dem Fuße desselben die Farbmühle4 mit ihren Linden und dem lebendigen Zaune hervorblickt, wie abwechselnd jenes Thal hinauf sich dehnt; sieh, wie links das Weißguth mit seiner Allee hervorguckt, seitwärts die Jugler-Straße und oben am Saume des Waldes, wie die Fensterscheiben einiger kleinen Häuser im Spiegel der Sonne herüberfunkeln; rechts drüben auf dem Fastenberge, wie flimmernd der Wassergöpel so hoch ragt, weiter[10] hin das Neue Leipziger Glück5 und hinten am Walde das Vitriol- und Schwefelwerk mit seinen weißfahlen Rauchsäulen; sieh, wie rund am Horizonte sich sanft eine Kette von Waldungen schlingt, hinter welchen gegen West hin die Spitze des Auersberges im Nebelgrau hervor blickt! – – Und nun wenn kein Kummer, kein Gram in deinem Busen naget, wenn du immer Ruhe hast, o! dann komm, wann auf ihrem Rosengewölk hinten die Sonne sinkt, wann der Dämmrung braune Schleier vor dir die Thäler bedecken und du noch im Abendgolde des scheidenden Tagesfürsten stehst, dessen milder Blick hie und da noch auf den Spitzen der Berge freundlich weilt und hochroth dort oben durch die einzelnen Tannen sich stiehlt, wie der Auersberg im strahlenden Farbenwechsel am Horizonte ragt, wie – – o! ich kann dir nicht alles so schildern, – siehe selbst, fühle selbst! Bist du glücklich, so wirst du dich unendlich glücklich fühlen, und bist du unglücklich, so vergißt du hier all dein Leid, du bist getröstet! Dem Himmel näher fühlst du dich, und der Abendglocke sanfter Schall, der von der Stadt herüber durch den Wald tönt, vermehrt die hohe Rührung deines Herzens, daß du in dem Glauben an einen Vater überm Sternenzelte die reinste Seeligkeit empfindest! –
Wir verlassen nun den Berg6 und steigen durch das Wäldchen wieder hinab, gehen bei der[11] Hammermühle über den Steig und sind wieder auf sächsischem Boden. Nun wollen wir auch das Farbmühler-Thal besehen.
Der Weg führt bey dem Malzhause und der Mühle vorbei, wo links und rechts braune Felsen hervorragen. Jetzt sind wir da, wo man links in ein kleines Thal blicken kann, dessen Mitte der Gränzbach in der Länge herab durchschneidet, welcher hinten aus dem Fichtenwalde hervorfließt, klares, frisches Wasser enthält und wenn ich nicht irre, der Pechhöfer genannt wird. Der linke Theil dieses Thales ist böhmisch, so wie der rechte sächsisch. Es ist sehr angenehm, dieses einsame Thal zu durchwandeln; sonst traf man auch darin eine Anzahl kleiner Fischteiche, welche zu dem sogenannten Weißguthe gehörten, jetzt aber durch die Nachlässigkeit des damaligen Besitzers meist eingegangen und vertrocknet sind. Ueberhaupt, als jenes Guth dem verdienstvollen, seligen Pastor Brunner noch gehörte, soll es sehr angenehm daselbst gewesen seyn. Auch findet man in dieser Gegend weiter oben ein vortreffliches Echo. Nun vorwärts! – Wir halten uns rechts, gehen bey dem kleinen Wehr des Bachs, welcher aus dem Farbmühler-Thale hervorfließt, hinüber auf den Fahrweg, bei den nassen Felsen vorbei und kommen an mehrere Häuser und eine große Mühle, zusammen die Unterjugel genannt. Nun richten wir unsern[12] Weg nach dem sogenannten Gartenhause, ein rothgestrichenes, großes Gebäude, an welchem einige von Kugeln zerlöcherte Scheiben hängen; – eine Erinnerung an daselbst verlebte, frohe Tage, welche ein Zwiespalt des Raths mit dem Bergamte einst unterbrach. –
Vor diesem Hause stehen mehrere alte Linden, deren Aeste sich in einander verweben und worunten steinerne Tische und Bänke sind, nebst einem Kegelschube; zu beiden Seiten zieht sich ein lebendiger Fichtenzaun hin, daß es Sommerszeit äußerst angenehm daselbst ist, indem man auch einen guten Trunk Bier haben kann. Das Gartenhaus selbst ist von einem lebendigen Zaune weit eingeschlossen, welcher sich hinter demselben an dem Berge hinauflehnt und oben an ein altes, steinernes Thor sich anschließt, welches Alles, so wie das Terrassenförmige, sich vortrefflich ausnimmt. Ueberhaupt gefällt es hier den Johanngeorgenstädtern und allen Fremden am besten, in Rücksicht eines öffentlichen Vergnügungsortes. Sonntags machen die Berghautboisten gewöhnlich Tanzmusik und der junge Bergmann verjubelt hier in den Armen seines Mädchens die übrigen, wenigen Groschen seines sauer verdienten Lohnes. –
Nun wollen wir weiter gehen. Daher betreten wir den, oben am Ende des Fichtenzaunes mit dem Wasser parallel das Thal durchschneidenden Weg, bei der Vogelstange vorbei, zwischen[13] den Halden,7 auf welchen im Glanze der Sonne hie und da buntfarbige Schwelkiese flimmern, denn gleich am Wege sieht man das verfallene Mundloch8 eines Stollens. In der theuern Zeit bauten reiche Holländer mehrere Gruben in diesem Thale, wodurch eine große Anzahl Menschen dem Hungertode entrissen wurden; die gutmüthigen Holländer schickten Geld auf Geld, durch Vorspiegelung eines reichen Gewinnes vermuthlich verleitet, denn auf ihre Kosten untersuchte man das Jugler Gebirge, welches aber leider! nichts enthielt und voll tauber (welche kein Erz enthielten) Gänge war. –
Auf der linken Seite fängt sich nun ein Wald an, dessen größter Theil der Bringerwald heißt und an dem Berge herab längs dem Bache sich fortzieht; weiter hinten ragen aus diesem Walde majestätische mit Gestrippe behangene Felsen hervor und man findet sogar einen kleinen Wasserfall, der sich über das sammtne, grüne Moos silbern herabstürzt. Rechts erblickt man die Hinterseite des Fastenberges, auf dem man die Felder der Johanngeorgenstädter- und Unterjugler-Einwohner sich herabdehnen und unten kleine, von mehrern Gräben gewässerte Wiesen bilden.[14] Da ein jedes Feld und ein jeder Acker in dasiger Gegend gewöhnlich mit einer ziemlichen, leichtgebauten Mauer umgeben ist, welche die Noth bildete, indem man keine andern Plätze hat, wo man die von den Feldern abgelesenen Steine hinwerfe,9 so fällt es allerliebst in die Augen, wenn man diese mit allerlei Gebüschen bewachsnen, an einander gerichten größern und kleinern Quasischanzen erblickt, belebt von den Schwärmen munterer Vögel. Man trifft diese Mauern um die Felder am häufigsten in der dasigen Gegend.
Während dessen nun sind wir eine hübsche Strecke durch dieses stille, heimliche Thal gewandert und gehen jetzt über eine kleine Brücke, so, daß der Bach uns nun zur Rechten ist. Wir hören ein dumpfes, monotonisches Getöse, – was ist das? – Je weiter wir kommen, desto stärker wird es; jetzt sind wir bei und unter den erwähnten Felsen und sehen vor uns ein hölzernes, ziemlich großes, besonderes Gebäude, woraus das Getöse dringt. Das ist, lieber Leser, wenn du es noch nicht, unkundig des Bergbaues, errathen hast, ein Pochwerk, wo das Erz klar gepocht und zum Schmelzen vorbereitet wird.10 Dieses monotonische Getöse der Pochwerke, welche meistens, da sie das Wasser treibt, in Thälern[15] angelegt sind, erhöht das Romantische der obergebirgischen Thäler ungemein, vorzüglich in der Ferne gehört, wenn man einsam daherirrt. Jetzt kommen wir noch bei einem solchen Pochwerke vorbei und das Thal wird flacher und weiter.
Wollen wir nun noch weiter hinter und in den düstern Forst wandern, welchen wir vor uns erblicken? Wollen wir den wilden Löbner Grund durchstreichen? – Ja! Muth gefaßt, vorwärts!
Wir gehen jetzt noch bei einem kleinen Hause vorbei und wenden uns dann rechts. – Hu! welch ein schauerliches Dunkel umfängt uns nun, da wir den hohen Tannenforst betreten, welch ein ernstes Schweigen wohnt hier! – Jetzt setzen wir mit leichter Mühe über den Bach, welcher immer kleiner wird und uns bald zu seinem Ursprunge führen wird, wo er das Schwefelbächel heißt. Wir kommen in eine kleine Wiese, mit allerlei Blumen geschmückt, rund herum von hohen, bärtigen Tannen umsäumt; aber es ist ein wenig sumpfig hier. – Nun müssen wir die Zweige der Fichtenbüsche auseinander beugen, um durchzukommen; müssen über gebrochene Tannen und wildes Gestrippe, über runde schlüpfrige Granitblöcke klettern, müssen hie und da über den Bach springen, um ein wenig bequemer gehen zu können. »O! das wird mir zu sauer, wo kommen wir hin?« – wirst du ängstlich ausrufen. Tröste dich und folge muthig! Sieh, wie es zu unsrer Rechten und vor uns schon lichter wird,[16] wie du rechts schon Rasen und Acker durch die Zweige kannst unterscheiden, jetzt ist das Ende der Beschwerden, – wir stehen vor einer Hütte, wie man sich nur immer eine Einsiedlerwohnung aus den Ritterzeiten vorstellen mag. »Und hier in dieser Wildniß wohnen Menschen?« fragst du theilnehmend. Ja, hier wohnt eine arme Bergmannsfamilie; du wirst überhaupt wenig oder gar keine menschenleere Gegenden im obern Erzgebirge finden, auch sorge nicht, es sind ehrliche Leute. –
Nun blicke einmal links den hohen, mit Tannen bedeckten, finstern Berg hinauf, von welchem sich plätschernd der Gießbach herabstürzt; rechts erblickst du einzelne Fichtengebüsche und das Ende der Fluren, zwischen welchen ein Fußsteig in dieses Thal herabläuft. Vor uns gegen Nordwest öffnet sich das Thal zu einer gleichansteigenden Anhöhe, und zwei hohe Tannen bilden gleichsam ein Thor, durch welches wir nun weiter wandern und unsern Weg nach dem Schwefelwerke richten wollen, welches oben vor uns liegt.
Auf freundliche Wiesen kommen wir nun, rechts umgeben uns wieder Aecker und Felder, so wie links das Gebirge waldig sich fortzieht. Endlich sind wir bei dem Schwefelwerke, und nun für die überstandenen Beschwerden erfreue dich durch die Aussicht.
Wende dich nach Morgen,11 da siehst du, wie sich kesselförmig eine waldige Bergkette an die böhmischen Gebirge anreiht; Johanngeorgenstadt ist vor deinen Blicken verschwunden, aber weiter hin nach Mittag siehst du mehrere böhmische Waldhäuser, Zechen und einen Theil von Platten; du siehst eine Reihe von kahlen und beholzten Bergen, die endlich am fernsten Horizonte in Nebel schwinden. Näher vor dir siehst du wiederum das Weißguth mit seiner Gegend, einen Theil des Farbmühler Thals, die Marianne und alle die schon erblickten Gegenstände von einer andern Ansicht; und ferner den überall sichtbaren Wassergöpel, die Häuersteige,12 mehrere Zechen und Gebäude und eine ausgedehnte Reihe umbuschter Aecker und Felder. – Hier, und zwar weiter oben, entspringt das Schwefelbächel, welches sich nachher unten im Thale mit einem andern[18] Bache verbindet und so als größerer Bach durch das Farbmühler Thal fließt. –
Man verzeihe mir diese, vielleicht schon mißfallne, Weitläufigkeit, ich halte sie für nöthig und meinem Zwecke angemessener, weil fast gar keine Schriften dieser Art über das obere Erzgebirge existiren. Und wie ich schon erwähnte, will ich nur einen Pfad bahnen, den Andere dann gemächlicher betreten und erweitern können, daher muß ich gründlich und also zu Werke gehen, daß ich Geschichte mit meinen Schilderungen verbinde. –
Wir verlassen nun das Schwefelwerk und gehen querfeld ein über die Eybenstöcker-Straße, über alte Halden und Aecker weg nach dem Glockenklange. Diesen Namen erhält eine von Johanngeorgenstadt aus nordwest liegende, bergige, von Buchengebüschen belebte Gegend von einer eingegangenen Zeche, der Glockenklang genannt; vermuthlich wurde dieser Name der Zeche darum beigelegt, weil an der dahinter aufsteigenden Anhöhe der Klang der Glocken sehr deutlich anprallt, wenn sie Sonntags oder an Festtagen sämmtlich geläutet werden. Hier wollen wir nun ein wenig weilen und uns umsehen.
Wir stehen also gerade nach Morgen gerichtet; uns gegen über dehnt sich der Rabenberg mit seiner vermischten Waldung, mit seinen Blößen und Verhauen längs dem Schwarzwasser hinab, welches an seinem Fuße fließt. Auf seinem Rücken, welcher öfters Strecken weit kahl und grau[19] daher blinkt, sieht man einzelne hohe Felsenruinen von wenigen schwarzen Tannen umzingelt, daß man die Ueberreste einer Ritterburg aus der Vorzeit zu erblicken wähnt. Vor uns unten sehen wir das sogenannte Felshaus, die Bretmühle und seitwärts den am Rande mit Gehölze bekränzten Heimberg und überhaupt, weiterhin eine Menge Felder, Aecker und Gebüsche hinab in die Tiefe des Thales sich senken. Rechts nach Mittag hin erblicken wir Johanngeorgenstadt in seiner Länge auf dem schroffen Abhange des Fastenbergs hingebreitet; wir sehen wie der Bleiersberg herab sich zieht, ein enges Thal bildet, zwischen welchem das Schieferbächel vom Eleonorer-Stolln herabrinnt. Dieses kleine enge Thal hat seinen Ausgang wiederum ins Wittichsthal, unweit dem Schießhause. Der größere Theil des Wittichsthales liegt nun wieder vor uns, wir hören das Geräusch der Bäche und der geschäftigen Menschen, hören des großen Blechhammers dumpfe Schläge, sehen die wechselnde Flamme des Hohenofens13 und die einzelnen,[20] friedlichen Hütten der Thalbewohner. Weiterhin schräg nach Mittag erblicken wir die böhmischen Gebirge mit ihren Waldhäusern und einzelnen Flecken. Denn von hier aus nimmt sich das Wittichsthal unstreitig am schönsten aus! – Links nach Mitternacht hin erheben sich mehrere theils nackte, theils waldige, mit Dörfern und Felsengethürmen sichtbare Gebirge, deren Ende sich in das schwimmende Blau des Horizonts verliert. Näher sehen wir einen auf einem Hügel ragenden, von einzelnen Tannen umgebenen Fels, der Schneiderfels, auch die Teufelskanzel genannt, welchen ich nachher näher beschreiben will. Diese ganze Aussicht ist entzückend, ich wünsche sie jedem Freunde der Natur, jedem guten Menschen; dieser Wunsch faßt viel in sich, er umfängt eine Vereinigung irdischer Gefühle mit dem Himmel! – Und nun, wer so die Gegend um Johanngeorgenstadt durchwandert, wer Alles dieses so erblickt, ich frage ihn, ob diese Gegend kann rauh genannt werden, ob sie uninteressant sei? – Ich frage ihn, ob diese so verschriene Gegend nicht die größte Aufmerksamkeit eines jeden Freundes und Forschers der Natur verdiene? – Ob man nicht die erhabensten Gefühle und Regungen in seiner Brust wahrnimmt? – –
Aber noch ist das Ende der Wanderung nicht da, noch haben wir das Wenigste gesehen und bewundert; nun wollen wir uns erst auf einzelne Gegenstände einlassen und den besondern Schönheiten[21] und Merkwürdigkeiten der Natur unsere Aufmerksamkeit widmen und dann uns unpartheiisch fragen, welch ein Interesse das obere Erzgebirge für jeden patriotischen Sachsen habe und haben müsse! –
Nun, lieber Leser, wollen wir für heute zurück nach der Stadt kehren, denn morgen haben wir mehr zu besehen; heute wollen wir ausruhen und Kräfte sammeln, – heute sind wir gestiegen, morgen werden wir schon klettern müssen. –
Es wird in Johanngeorgenstadt eine Gegend des Himmels, nämlich nach Mitternacht hin, der Jungfernwinkel genannt, woher diese Benennung stamme, weiß ich nicht; man erblickt ihn, wenn man bei dem Rathhause gegen die Gasse neben dem Brauhause hingerichtet steht. Dieser Jungfernwinkel dient den Einwohnern zum Wetterpropheten, indem man gewisse Erscheinungen an demselben entweder für günstig oder ungünstig hält, welches nicht ein leerer Glaube, sondern eine natürliche, durch die Erfahrung bestätigte Gewißheit ist. Gerade in dieser Richtung[22] nun liegt der Schneiderfels oder die Teufelskanzel genannt, welchen man bei dem Ende der Gasse und Stadt deutlich wahrnehmen kann.
Der Fremde glaubt hier fast gewiß, daß dieses die Ruinen irgend eines alten Schlosses seyn müssen, weil die Gestalt dieser Felsen einem solchen Dafürhalten entspricht. Es ist ein überraschender Anblick, wie hinten am Horizonte auf einer unten herum waldigen Anhöhe oben ein graues, von einzelnen Tannen umgebenes Felsengethürm aufragt. – Es ist bisweilen auch interessant, Wege nach gewissen Gegenständen zu beschreiben, daher soll dieses jetzt geschehen.
Man geht nach dem Rosengartner-Stolln zu, daß das neu angelegte Bergmagazin-Gebäude14 zur Rechten bleibt; auf der Halde vor dem Stolln nun hat man eine allerliebste Aussicht hinab in das schon erwähnte kleine Thal, welches von dem Schieferbächel durchschnitten wird. Hier, am Ende des Bleiersbergs, wo man jetzt mehrere begraßte Vertiefungen wahrnimmt, waren ehedem eine Anzahl kleiner Teiche, von schattigen Ahornbäumen an der Wegseite herab umgeben; aber man ließ sie vertrocknen und benutzte die Grasung, sowie man auch die Ahornbäume vermißt.
Von der Rosengärtner-Halde weg gehen wir nach dem Eleonorer-Stolln zu. In dem dabei[23] befindlichen Zechenhause wohnt ein Mann,15 Namens Unger, welcher allerlei kleine Modelle vom Bergbau und Darstellungen desselben schnitzt, welche ein einfacher Mechanismus lebendig macht, überhaupt besitzt er ziemliche Fertigkeit im Schnitzeln, obgleich seine Figuren keinen feinen Geschmack verrathen. –
Nun steigen wir von da eine kleine Anhöhe hinauf und halten uns rechts auf dem Wege, welcher zu einer hohen, starken Tanne und der dabei befindlichen Zeche, Elias genannt, führt. Hier findet man ein Wasser, welches in den heißesten Tagen von siberischer Kälte ist und dem reinsten Krystall gleicht; es entspringt aus Felsen und ist sehr gesund. – Ueber dem Elias oben dehnt sich der bebuschte Glockenklang hin, auf welchem hie und da eine schlanke Tanne emporragt.
Wir gehen nun weiter und kommen an ein mittelmäßiges Guth, von welchem nicht weit davon, weiter hinten, ein kleines Haus stehet, welches mit seiner Wirthschaft einem gewissen Kohlbrenner Schneider gehört, wovon der nicht weit abgelegene Schneiderfels16 seinen Namen erhielt.
Nun richten wir unsern Weg weiter nach dem Walde hin, aber unsern Blicken ist der Fels gänzlich entschwunden. So wie wir einige Schritte in diesem Walde oder vielmehr Wäldchen gethan haben, wenden wir uns links und betreten einen Fußsteig, der durch Gebüsche dahin sich windet; über uns singen die Vögel, wir wandern vergnügt weiter, beugen die Zweige der Gebüsche auseinander und steigen jetzt auf einem schmalen Pfade den Hügel hinan; noch erblicken wir keinen Fels, immer weiter steigen wir, kriechen durch die dichten Gebüsche hindurch, und – welche Ueberraschung! – wir stehen plötzlich nahe bei einem röthlich grauen, ernsten Felsengethürm, um welches in einem dünnen Kreise hie und da einige hohe Tannen hervorragen. Noch blicken wir es staunend an, und die Einsamkeit und Stille, nur vom Gekrächze aufgeschreckter Raben unterbrochen, wirken, daß ein unwillkührlicher Schauer die Glieder überläuft. – Ueber Gestrippe und abgerollte Steine steigen wir nun näher hinauf.
Eigentlich sind es zwei Granitfelsen, hie und da von kiesigen Adern durchschnitten; jedoch die Verschiedenheit ihrer äußerlichen Form ist so auffallend, als merkwürdig. Der eine nämlich scheint aus lauter abgestumpften Cylindern zusammengesetzt zu seyn, hebt sich hoch empor und da, wo diese Quasicylinder an einander sich fügen, sind tiefe Ritze und Klüfte; dieser ganze Fels scheint nur leicht und flüchtig auf einander geschichtet zu seyn und jeden Augenblick einstürzen[25] zu wollen. Man wird von einer sonderbaren Angst befallen, wenn man nahe bey demselben steht; denn unten herum liegen große Granitblöcke, daß man glaubt, sie wären von ihm abgerollt und also müsse der Fels größer gewesen seyn. Aber der ganze Hügel, worauf er emporragt, ist ein Granitgebirge, welches die Zeit mit Moos, und Bäumen überzog.
Der andere Fels ist kleiner, aber nicht so geformt; er scheint aus mehrern Trapezoiden schräg auf einander geschichtet zu seyn, daß man ebenfalls befürchten könnte, er werde mit jedem Augenblicke einstürzen; wenn man vorzüglich darauf steht, wird man von einer solchen Furcht beängstigt, – doch er wird nie fallen. Uebrigens ist er nicht so nackt und kahl, wie sein Nachbar, sondern mit dem grünsten Moose fast ganz überzogen.
Hier stelle man sich nun zwischen diese zwei Felsenmassen, und man wird einem jeden von beiden einen gewissen Character (um mich so auszudrücken,) beilegen können. – Der große nämlich ist ein Bild des Ernstes, des Muthes, der Standhaftigkeit und jeglicher Größe; ihn vermochte kein Wetter, kein Sturm zu rühren, er blieb sich gleich; Blitze umkreutzten und berührten ihn, er stand, – und waren die Wetter vorüber, so verweilte mild und belohnend der Abendsonne Purpurblick aus seinem Scheitel, denn sein Streben war groß, wie des Mannes feuriges Streben, es gehörte dem Himmel an. –
Der andere neigt sich schon mehr an die Erde, ein Bild der Schwachheit, der allzugroßen Nachgiebigkeit, nicht vermögend, sich muthvoll empor zu schwingen, nur für die Erde lebend. – Die tiefe Stille nun, welche um diese Felsen herrscht, vermehrt die schauerliche Einsamkeit, die nur bisweilen ein Raubvogel oder ein Windstoß in den hohen Wipfeln der ästigen Tannen unterbricht. Der größere Fels aber ist die eigentliche Teufelskanzel. Auf meinen Wanderungen fand ich in der Nähe einen alten Holzhacker im Walde, welcher mir folgende, nach seinem Ausdrucke wahrhafte, Geschichte von diesem Felsen erzählte, welche ich hier beifüge, wie ich sie hörte, da so etwas nicht uninteressant seyn kann.
»Zu Anfange, als Johanngeorgenstadt erbaut wurde, kamen häufig Katholiken herüber und suchten die Lutheraner abfällig zu machen; sie wendeten Alles an, Ueberredung, Versprechungen, Bitten, und, da dieses nichts zu fruchten schien, auch Drohungen, welche sie in der Folge nicht unerfüllt ließen, indem man einigemal Feuer angelegt und manches ruinirt fand.
Zu Anfange des Stadtbaues, giengen einst früh Morgens drei Bergleute aus, um die umliegenden Gebirge zu untersuchen, wobei sie sich zugleich des Ruthenschlagens bedienten. Diese kamen nun auch zu dem Felsen, welcher damals höher und stärker gewesen seyn soll; müde und abgemattet setzten sie sich hier nieder, um auszuruhen. Sie erzählten sich manches und unter andern[27] fiengen sie auch an, von dem Baue der Stadt und ihrem Vorhaben zu sprechen und äußerten oft den Wunsch, daß Gott den Katholiken die schwere Sünde vergeben möge, die sie durch so manche Kränkungen an den Lutheranern begiengen. Plötzlich rauschte es hinter ihnen, – erschrocken kehrten sie sich um und sahen einen langen, dicken Mönch aus einem Busche hervortreten, welcher, den Zeigefinger der rechten Hand emporgestreckt, ihnen dreimal winkte. – – Sie geriethen in Verlegenheit und wußten nicht, was sie thun sollten; endlich entschlossen sie sich und giengen näher hinzu, worauf der Mönch langsam auf den Fels gestiegen sei, gleichwie auf einer Treppe, und jeder Tritt seines Fußes hätte eine solche Stufe gebildet, wie man heutiges Tags noch sieht. Von oben herab hätte er nun zu ihnen mit einer schauerlichen, besondern Stimme gepredigt, ihnen Gold und Silber und alles was sie wünschen würden versprochen, wenn sie katholisch würden, aber den Namen Gottes und des Heilands hätte er nie erwähnt. Doch sie blieben standhaft! Wie er endlich anfieng, durch große Verheißungen und glatte Worte ihr Herz zu bestricken, so riefen sie laut in ihrer Angst: »Heiliger Gott, sei uns gnädig und barmherzig!« – Sogleich krachte es fürchterlich, der Mönch verschwand und in der Luft hörten sie ein gräßliches Gewinsel. Getrost und muthig giengen sie zurück und unterweges schon erhielten sie die frohe Nachricht: daß so eben wieder ein reichhaltiger Silbergang gefunden worden sei, welches sie für[28] einen Lohn Gottes ansahen und Danklieder anstimmten, u. s. w.«
Da, wie ich merkte, den meisten in der Gegend dieses Mährchen nicht bekannt ist, so ist ihnen auch der Name Teufelskanzel weniger bekannt; denn der Mönch, welcher hier predigte, war, nach ihrer Meynung, kein anderer, als ††† Gott sei bei uns! Herr Lurian! –
Auf dem größern Felsen nun kann man von hinten wirklich wie auf einer Treppe, nur nicht gar so bequem und ein wenig gefahrvoll, emporklettern, und oben nach Mittag hin ist eine Art von Brustwehr, kurz dieser Fels ist einer Kanzel in der That nicht unähnlich.
O! man steige hinauf und sehe sich um, und predige die Wunder der Natur! – Welch eine erhabene, entzückende Aussicht auf diesem Felsen! Stärke mich, Muse, daß ich es jetzt wage, der lieblichen Aussicht meinen Gesang zu weihen! –
Nachdem wir uns satt und überall umgesehen haben, klettern17 wir wieder (aber sei ja vorsichtig!) herab von dem Felsen, betrachten ihn unten noch einmal von allen Seiten und steigen von der Anhöhe selbst wieder hernieder. Oft unterweges blicken wir uns um nach der ragenden[33] Kanzel, bis die dichten Fichtengebüsche sie gänzlich unsern Blicken entziehen. Wir kommen zu dem sogenannten Schneiderguthe zurück; hier wollen wir eine Milch einnehmen und uns an dem vielfachen Echo ergötzen, welches man, zwischen Nord und Ost gerichtet, nicht weit von dem Hause am Wege wahrnehmen kann. Fünfmal kann man einen starken Schall ziemlich zurück hören.
Nun richten wir unsern Weg wieder nach der Stadt, um für künftige Wanderungen uns zu stärken und zu erquicken. –
Wenn man eine rechte romantische Gegend, voll Abwechslung und Gegenständen mancher Art, durchwandern und besehen will, so darf man nur auf dem Wege am Schwarzwasser nach Breitenbrunn gehen. Für den aufmerksamen Freund der Natur hat diese Gegend gewiß viel wahren Genuß und Reitz, indem Erhabenheit und Ernst in immer neuen Scenen dem forschenden Auge sich darstellen.
Man geht zuerst von dem Schießhause vorbei auf der Chaussee; zur Rechten rauscht über[34] große Steine schäumend das Schwarzwasser, an welchem sich der Rabenberg waldig emporhebt und längs demselben fortzieht. Links an dem schroffen Fuße des Heimbergs liegt ein kleines Wiesenthal ausgebreitet, worin man die sogenannte Finkmühle und die dabei befindliche Zinnschmelzhütte erblickt. – Weiter hinten, am Ende des Thals geht es nun ein wenig bergan und das Schwarzwasser macht einen Bogen rechts von dem Wege, daß man eine hübsche Wiese erblickt, über welche oben die Straße sich hinbeugt und Felsen und Gebüsche sich dehnen. Hier ragt am jenseitigen Ufer des Schwarzwassers ein kahler und steiler mit Felsenruinen verwahrter Gebirgsfuß hervor, vorn an der Spitze mit wenigen hohen, schwarzen Tannen bewachsen; gleich dahinter steigt wieder ein hoher, ebenfalls kahler, schroffer Berg auf, auf welchem ganz oben ein Gemisch von Fichten, Buchen und Felsen sichtbar wird. Gewiß ist der Anblick sehr schön, den man hier hat: neben sich die grüne Wiese mit ihrem Fels, an deren Ende das geschlängelte, rauschende Schwarzwasser, hinter welchem das kahle, steile Gebirge mit dünner Waldung und grauen Felsen ansteigt. Hier habe ich oft und gern verweilt. –
Der Weg senkt sich jetzt wieder hinab und bleibt nun durchs ganze Thal eben. Man kommt an eine Mühle, welche, von einem nicht großen Grasplatze hinten und zur Seite umgeben, jenseits des Schwarzwassers am Fuße des[35] nun waldigen Gebirges liegt. Links dehnt sich jetzt ebenfalls eine Gebirgskette mit Waldung und weiß hervor schimmernden Granitblöcken fort, an deren Fuße unweit der Mühle ein Stolln, Namens Trau und bau auf Gott, befindlich ist. Krumm beugt sich der Weg dann um des Gebirges hervorragenden Fuß und so hat man bis jetzt links wieder eine neue, überraschende Aussicht.
Die Gebirgsseite ist eine Strecke fort meistens kahl und nur oben zieht sich der dunkle Forst hin, an dessen Saume man mehrere Reihen alter und neuer18 Holzstöße erblickt. Weiter unten ragen hie und da aus einem Chaos von Gestrippe, Steinen, Moos und kleinen Gebüsche einige hohe röthliche Felsen auf, anmuthig von Buchen umschattet, welches ebenfalls einen überaus schönen Anblick gewährt. Zur Rechten das rauschende Schwarzwasser und der hinten aufsteigende, dichte Wald, aus welchem der Vögel frohe Gesänge tönen; über sich so hoch den Himmel, vor sich den mit dem Wasser parallel geschlängelten Weg und das ganze tiefe Thal, wie oben höhere Tannen majestätisch aus den Forsten ragen, wie dort zerschmetterte Stämme im Kreise mächtiger Granitblöcke[36] trauern und aus dem Dunkel der Waldung ein scheuer Hirsch hervorlugt. Und immer begegnet man biedern aufrichtigen Menschen, auf ihren gesunden Gesichtern leuchtet Frohsinn und Zufriedenheit. Zufriedenheit, – auch wenn im Winter der häufige Schnee die Wege versperrt und die Thür der Hütte verschneit; muthig wird ein Weg gebahnt. Wenn Weib und Kinder frieren: rasch den Schlitten zur Hand, ringsum ist ja Wald,19 wo man Holz holen kann; väterlich sorgte die Vorsehung! – Nicht wahr, ihr Erzgebirger, ihr lebt in keinem Siberien, wie Weichlinge euer Gebirge nennen? Uns, meine braven Landsleute, gefällts im Schooße unserer Thäler und Berge! – Selten und fast nie dringen zu uns die Gräuel und Schrecken des Krieges; wenn Andere mit vielem Blute sich Land auf Land erobern, genügt uns an einer Hütte und dem nöthigen Auskommen, wenn wir nur gesund sind und arbeiten können. O, wie glücklich leben wir auf unsern verschrieenen Bergen! –
Unter Abwechslung der Gegenstände, wie ich sie geschildert habe, kommen wir endlich auch an das sogenannte Teumerhaus, eine an dem Wege liegende Schenke; von hier bis nach Johanngeorgenstadt rechnet man eine starke Stunde, und für Reisende ist es wirklich gut, vorzüglich im Winter, daß sie hier ein Wirthshaus treffen.
Der Weg zieht sich immer links am Fuße des Gebirges fort und schlingt sich endlich um eine kleine, mit einer Mauer halb umrundeten Wiese; das Thal erweitert sich nun ein wenig und das Schwarzwasser macht rechts einen ziemlichen Bogen. Am Ende der Wiese links erhebt sich ein kolossalisches Felsengethürm, welches aus lauter großen, abgerundeten, viereckigten Felsenmassen auf einander geschichtet scheint, und dieser hohe Fels, so wie noch einige, die wir unterweges treffen werden, heißen die Hefenklöße.20 Farbiges Moos und allerlei Gestrippe bedecken hie und da diesen Fels; schlanke, junge Tannen beugen sich aus den häufigen Ritzen und Klüften hervor und bedecken seinen Scheitel. Von vorn herab ist er, wie abgeschnitten und unersteiglich; wenn man ihn aber von der Bergseite erklettert, an welcher er sich emporhebt, hat man eine ziemliche Aussicht ins Thal. Grausen und Schwindel überfällt den Wanderer, der auf seiner Höhe weilt, und der bloße Gedanke schon, »wenn ich hinabstürzte« – treibt bleiches Schrecken und Zittern über sein Angesicht und seine Glieder. Ach! ihm würde auch nie wieder die Sonne scheinen, wenn er hinabstürzte; ehe er den Boden berührte, hätte des Todes Hand ihn zerschmettert! –
Wenn man eine Strecke weiter im Thale fortgegangen ist, kommt man an eine Meilensäule und hier nun hat man wieder einen vortrefflichen Anblick. Schräg gegen über erblickt man wieder einen Fels, dessen ganze Gestalt aber von den Hefenklößen abweicht. Er erhebt sich mehr terrassenförmig und spitzig auf der hervorstehenden, waldleeren Seite des Gebirges rechter Hand, und glänzt in verschiedenen bunten Farben, vorzüglich unten; einige junge Fichten schmücken ihn und hart an seinem Fuße rauscht das Schwarzwasser vorbei, welches hier den angefangenen Bogen endigt. Gerade vor sich sieht man jenen großen, auf dem Schneiderfelsen schon wahrgenommenen, kugelförmigen Berg mit seinem Basaltfelsen, bis an die Mitte von Waldung bedeckt; und nun bilden sich zwei Thäler.
Das eine nämlich links hinauf, durch welches ein schäumender Waldbach braußt und ein Weg, nach Steinheidel und andere Waldflecken führt. Rechts entsteht das andere Thal, durch welches das Schwarzwasser an der Breitenbrunner Straße hart dahinfließt. Der Weg geht jetzt über eine Brücke, wo sich jener Bach in das Schwarzwasser stürzt; wir bleiben aber auf dem Wege nach Breitenbrunn.
Unterweges kommen wir wieder an einige solche kolossalische Felsen, wie der oben beschriebene, an die Hefenklöße. Aus des Forstes dunklem Grün steigen sie hart an der Straße auf und flößen Staunen und Bewunderung ein.
Wenn man eine Strecke weiter fortgegangen ist und sich rechts gehalten hat, sieht man, wie sich rechter Hand das Thal erweitert, die Waldung dünner wird und endlich auf der Höhe einige Felder zum Vorschein kommen. Erfreulicher wird diese Wahrnehmung, wenn endlich der Wald nach und nach aufhört und man an einige Häuser21 kommt, hinter welchen wiederum am Saume des Waldes sich verschiedene Felsen empor heben. Alles wird jetzt freundlicher, man naht sich Breitenbrunn immer mehr, und, auf der Brücke stehend, sieht man links hinunter in ein von dunkler Waldung eingeschlossenes Thal, welches das nun breiter fließende Schwarzwasser durchschneidet und worin das Hammerwerk Breitenhof liegt. Man hört das Getöse des Hammers und der gehenden Treibräder, hört das schauerliche Pfeifen der Blasebälge, die das Wasser hebt; sieht die Sprudel ewiger Funken und die weißlichen Dampfsäulen zum Himmel steigen, sieht das lebendige Fuhrwerk und das Kommen und Gehen der Menschen. – Rechts dehnt sich Breitenbrunn einen allmählig ansteigenden, hohen Berg hinan, oben auf der Höhe des Berges steht erhaben die Kirche; seiner freundlichen Lage nach verdient Breitenbrunn vorzüglich unter die ansehnlichen, hübschen Dörfer des obern Erzgebirges gezählt zu werden.
In den vorhergehenden Schilderungen haben wir uns meistentheils in der untern Region um Johanngeorgenstadt aufgehalten; jetzt wollen wir auch die obere durchstreifen und unsern Weg nach Steinbach richten. Vielleicht lächelt mancher hier, der einige Kenntniß von der dortigen Gegend hat, daß ich den Leser nach Steinbach, ein kleines, von Bergleuten bewohntes Walddorf, führen will, aber nicht dieses will ich ihm, sondern die in dieser Gegend befindlichen Merkwürdigkeiten und unter diesen vorzüglich den Teufelsstein zeigen. Warum man diesen Fels so nennt, weiß ich nicht; vermuthlich gab die Einbildungskraft des gemeinen Mannes, welche immer die Hand des Teufels und nicht Gottes Hand am Außerordentlichen wahrnimmt, einem Felsen diesen Namen, dessen auffallende Gestalt und übrige Lage ich jetzt schildern und zugleich den Eindruck zeichnen will, den der Anblick desselben in der Brust eines jeden gefühlvollen Naturfreundes macht.
Man geht die Eibenstöcker Straße, welche bei einer Zeche, Gotthelf Schaller genannt, vorzüglich vorbei nach dem weiter oben liegenden Walde sich zieht, daß man das schon erwähnte Schwefelwerk dann schräg linker Hand hin nicht weit von sich erblicken kann. Auf diesem Wege[41] gehe man eine ziemliche Strecke immer durch den Wald fort, bis man rechts herüber in kurzen Pausen eine Glocke22 tönen hört. Nun wende man sich rechts, gehe durch die dünne Waldung und bald wird man auf eine große Blöße23 kommen, wo sich auf einer kleinen Anhöhe am Saume des Waldes eine hohe Felsenwand zuerst und auffallend darstellt. Man wird wirklich bei dem Anblicke derselben überrascht, ob es gleich nichts seltenes ist, im obern Erzgebirge häufig auf Felsen zu stoßen: aber die Gestalt dieses Felsens verdient, daß man eine Weile sich hier erst durch den Anblick desselben ergötze. –
Vor sich sieht man eine unmerklich sich daher senkende, mit jungen Gebüschen, mit größern und kleinern Steinen und Stöcken überzogene Fläche, welche weiter unten mit den Steinbächer Wiesen und Feldern sich vereinigt. Seitwärts rechts auf einer kleinen Anhöhe hebt sich der Teufelsstein empor.
In der Gestalt dieses Felsens findet man wirklich die täuschendste Aehnlichkeit mit den Ruinen irgend einer alten Burg aus der Vorzeit; denn man nimmt nicht nur die deutlichsten Spuren mehrerer Fenster, sondern auch Thüren und Bogen daran wahr. Er steigt, wie eine Treppe, von der einen Seite zu einer beträchtlichen Höhe auf, und senkt von da sich auch so wieder auf der anderen Seite hinab. Ein interessanter Anblick, wie diese röthlich grauen Ruinen am Saume des Forstes aufragen, dessen schwarzes Grün einen lebhaften Farbenabstich erzeugt und das Romantische dieser Erscheinung vermehrt! Und wenn man den pausenweisen Klang der unfernen Zechenglocke hört, wenn man nicht weiter um sich sieht, sich auf Flügeln der Phantasie in die graue Vergangenheit zurück schwingt, wo Schilde und Speere klirrten: wahrhaftig man wähnt, es töne die heimliche Klosterglocke und ein Ritter Bruno oder ein Adelbert habe mit gewaltiger Macht vor etlichen Monden jenes Raubschloß zerstört; nun wird der steinige Boden grünend, von der Anhöhe herab dehnt sich der Burggarten, wo im Schatten der hohen Linden eine Adelheid oder eine Gertrud wandelt, der Minne erste, selige Gluth empfindend. Nun mahlt die Phantasie lebhafter und auf die angenehmste Weise diese Bilder weiter aus, und einer süssen Wehmuth Gefühl schauert durch die beklommene Brust. –
Aber aus der lieblichen Täuschung erwacht man bald, wenn man näher hinzugeht und mehrere[43] senkrechte Spalten, und viele viereckigte, säulenförmige Felsenmassen wahrnimmt, welche, wie von Menschenhänden an und auf einander gestellt, den Teufelsstein bilden. Von vorn herab, wo wir jetzt unsre Blicke hinwerfen, ist der ganze Fels wie abgeschnitten, keine Möglichkeit findet sich hier, ihn zu ersteigen. Staunend blickt man ihn an und findet: daß der Mensch in seinen Werken nie die Natur nachzubilden vermag, daß ein kostbares Meisterwerk der Kunst, hier aufgestellt, viel verlieren würde. Aber der Mensch bildet auch nur nach seinen Idee'n Gestalten; noch fand man keine medizeische Venus24 unter den Menschen und keinen attischen Eros,25 und es fragt sich, ob der geübte Meisel des Künstlers den Stein, welcher verachtet am Wege liegt, nachbilden kann, so, daß man die Hand der Kunst nicht entdecke. – So fehlt auch den Felsen, die man bisweilen im Niederlande in vornehmen Gärten antrifft, weiter nichts, als daß man nicht wahrnehmen müßte, sie wären zusammengepfuscht. Aber um so herrlicher und erhabener ist der Anblick, wenn man an Gegenständen der Natur, wie z. B. an diesem Felsen, wahrnimmt, daß es scheint, als hätten Menschenhände es gethan; da dem doch nicht ist, so wie man bei künstlichen Felsen weiß, sie sind zusammengesetzt und sollen doch natürlich scheinen. Dieß verhält sich nun so auch im Allgemeinen;[44] das Künstliche soll natürlich scheinen, und das Natürliche trägt Spuren der höchsten Kunst an sich. –
Es würde uns aber ein großer Theil des Genusses entzogen werden, wenn wir den Teufelsstein nicht erklettern sollten, und zu diesem Ende gehen wir auf die hintere Seite und bemerken zugleich, daß diese hohe emporragende Wand kaum 30 Zoll stark sei. Hinten lehnt sich eine andere Felsenwand an, daß man jedoch die Abgesondertheit Beider wahrnehmen kann, und auf dieser steigt man, freilich etwas beschwerlich und mit klopfendem Herzen, empor. Bald kommt man an ein paar fensterförmige Durchsichten; wem nun hier beim Herabblick auf die Gegend schon schwindlich wird, dem rathe ich nicht, weiter zu steigen, weil von jetzt an das Klettern bis zu den Spitzen des Felsens gefährlich wird. Jedoch wird man durch die erhabenste Aussicht vielfältig belohnt.
Tief unter sich sieht man nun den daran stoßenden Forst, und wie sich hie und da waldige und kahle Berge emporheben; sieht vor sich unten das weidende Vieh und schräg drüben die Wasserkunst beim Schimmel,26 sieht, wie sich die Gestänge wimmernd an einander reiben, und weiter hinten Steinbach, man hört das Getöse der gereihten27 Pochwerke und das Handthieren links[45] auf der Straße. – Hinter sich sieht man die ganze Fläche von Waldung umzingelt, hinter welcher im verjüngtesten Maaßstabe der Schneiderfels hervorblickt und hinter diesem dehnt sich wiederum fern hinab der Rücken des Rabenbergs. Wahrhaftig es ist interessant, bei, um und auf diesem Felsen zu weilen. –
Wenn man das obere Gebirge bereis't, so beobachte man vorzüglich, einen Gegenstand aus verschiedenen, fernen Gesichtspuncten zu betrachten, sodann sich ihm allmählich zu nahen und dann seine übrigen Untersuchungen anzustellen. Eine allgemeine Regel kann man freylich nicht geben, weil die Lage und Form der Gegenstände, und sie selbst zu verschieden sind; aber nur jenen wissenschaftlichen Handwerkssinn28 hege man nicht, wenn man die Schönheiten der Natur betrachten will, die dann nur schön sind, wenn man mit reinen Gefühlen und nach keinem idealischen Maaßstab sie betrachtet; wenn man die Natur kindlich ehrt. – So betrachtet den Teufelsstein, so seht von seiner Höhe gleichsam herab auf die Erde, ach! sie ist so schön, wenn man sich über sie erhaben sieht! –
Seitwärts in dem Forste findet man noch mehrere Felsen von verschiedener Gestalt, die aber, weil der Wald zu dicht um sie sich drängt, jenes Anziehende und Heimliche verlieren, welches wir bei dem Schneiderfelsen und dem Teufelssteine[46] fanden und empfanden. Man trifft hier in der Nähe einen Fels, welcher ein bogiges, richtiges Thor bildet. – Die mannichfachen bunten Moosarten an den Felsen und auf manchen Bergen dienen auch dieselben zu beleben und zu verschönern. Ich fand Steine, welche, vorzüglich nach dem Regen, wie Veilchen dufteten, ja noch stärker und reitzender; die Ursache ist ein rothes, äußerst dünnes, jedoch sehr fest mit dem Steine vereinigtes Moos, welches aber nur an einer gewissen schwärzlichen Steinart gefunden wird. Dieser sogenannte Veilchenstein ist auch selten, ich fand ihn hinter der rothen Grube nach Sosa zu. Nicht genug rühmen kann ich den angenehmen Geruch, welchen dieser Stein, als ich im Frühherbste die Gegend durchwanderte, nach einem leichten, kurzen Regen von sich duftete. Uebrigens kam er mir nirgends wieder vor.
Von Johanngeorgenstadt nach Abend hin, ungefähr zwey Stunden weit, erhebt sich der Auersberg, welcher von dem sonst29 häufig auf[47] ihm sich aufhaltenden Auerwildpret diesen Namen erhielt. Von Eibenstock aus liegt er zwischen Morgen und Mittag, zwei Stunden weit; von Schneeberg aus aber liegt er gegen Mittag, und man rechnet bis zu seinem Fuße vier Stunden, wenn man nämlich über Sosa dahin reißt. Wie bekannt, ist dieser Berg nach dem Fichtelberge der höchste in Sachsen: er erhebt sich 2353 Fuß hoch über Wittenberg.
Man merkt, wenn man von Johanngeorgenstadt ausgeht, nicht seine Höhe so auffallend, denn von diesem Gebirge steigt er immer allmählig empor. Als Fremder findet man allein den Weg nicht, man muß einen Führer nehmen und um 1 Uhr früh, versehen mit geistigem Getränke und einem tüchtigen Frühstücke, (denn auf hohen Bergen wird man bald und oft hungrig) sich aufmachen, daß man vor Sonnenaufgang oben ist; denn das ist der herrlichste, erhabendste Genuß, hier den Fürsten des Tages aus seinem Rosenbette steigen zu sehen.
Angenehm ist von Steinbach aus der Weg freilich nicht, denn bisweilen ist es sumpfig, und Frauenzimmer mögen sich mit Stiefeln verwahren; dann geht man auf lauter quer gelegten Stangen den größten Theil des Weges hinan, immer von hohem, dunklem Wald umgeben. Es wird der Auersberg häufig von Fremden und Einheimischen besucht, und die letztern wallfahrten in ganzen Gesellschaften dahin. Von Eibenstock aus ist der Weg besser, aber man muß viel steigen,[48] denn von Wildenthal aus hebt sich der Berg steil empor. Der angenehmste Weg ist von Sosa aus.
Der obere Theil des Berges (nicht, wie Merkel bemerkt, der höchste Punct) wird der Thurm genannt, indem Johann Georg I., welcher bei einer Jagd sich auf der Spitze des Berges befand und von der herrlichen Aussicht entzückt ward, einen hölzernen Thurm drauf bauen ließ, von welchem man jetzt aber wenig oder gar keine Spuren mehr findet. Dieser Scheitel des Berges ist ziemlich groß und eben, mit Riedgras und Beersträuchern weit bedeckt und auf der etwas tiefern Morgenseite zu von Waldung umrundet, welche aber der Aussicht keinen Schaden thut. Man trifft übrigens weiter unten nach Sosa zu hier und da tiefe Gruben, oft in Fels, welche aber nicht alle um des Bergbaus willen entstanden zu seyn scheinen, denn man nimmt nicht das geringste Merkmal irgend eines Aufsturzes oder einer Halde wahr; auch findet man Himbeere von unvergleichlichem Geschmacke.
Im Winter liegt der Schnee am höchsten und längsten auf dem Auersberge, ja, man findet in manchen Löchern zur heißesten Sommerszeit Schnee, welcher viele Jahre alt ist, wie man aus den Schichten des Laubes, die, vom Schnee eines Jahres bedeckt, vielfältig auf einander liegen, erkennen kann. Auch hält sich viel Wildpret um den Berg auf, freilich jetzt nicht mehr in so großer Anzahl, da die böhmischen[49] Wilddiebe sonst truppenweise herüberzogen, das meiste wegschossen und auf Wagen ungescheut fortfuhren.
Ueber dem Auersberge steht äußerst selten, ja fast nie ein Gewitter, immer legen sie sich tiefer daran und es ist eine der erhabensten Scenen, wenn man im Sonnenscheine auf der Spitze des Berges steht und unter sich graue Wolken sieht, aus welchen Blitze flammen und Donner rollen. So stand einst Moses auf Sinai. –
O! welche unnennbare Gefühle zittern hier in der Brust des gefühlvollen Menschen, wenn er sich dem Himmel so nahe und die Erde so tief und klein unter sich sieht! Wie eitel, wie lächerlich erscheint ihm hier alles Treiben und Streben der Menschen nach armseligen Gütern, wie klein erscheinen ihm dann die angstvollen Wünsche, die sie nur für die Erde hegen! Mitleidig blickt er auf ihre Fehden und Kriege hinab, mitleidig auf die Götter der Erde, die sich da unten so groß dünken. – So gieng einst auch Jesus auf hohe Berge, denn hier fühlte er die selige Nähe seines himmlischen Vaters, hier sprach er mit ihm und überdachte den heiligen Plan zur Rettung der Menschheit! –
Doch, es sey mir erlaubt, eine Reise zu erzählen, welche ich einst mit einigen meiner Jugendfreunde von Schneeberg aus nach dem Auersberge machte. Es ist dieses gewiß eine unterhaltende und belehrende Geschichte. –
Es war in einem Juliusmonate und die schöne Witterung versprach Dauer, als wir beschlossen, eine Reise auf den Auersberg zu machen, welchen wir so oft in seiner Ferne schon betrachtet hatten. Wir wurden einig, uns so einzurichten, daß wir des Nachts auf der Spitze des Berges bleiben könnten, um dann früh desto gewisser den Aufgang der Sonne zu sehen. Daher versahen wir uns mit Lebensmitteln und zum Theil auch mit Säbeln, und traten froh und heiter um 1 Uhr Mittags unsre Reise an; giengen über Zschorlau nach dem Schindlerschen Blaufarbenwerke und kamen von da nach Sosa. Ich will hier die Anfangsbuchstaben der Namen meiner Freunde hersetzen, damit, wenn sie dieses Buch lesen sollten, sie sich an mich und an die originelle Reise erinnern. W–r und Oe–l aus J**, F–r aus A**, K–sch aus S**, und H–n aus H**; vielleicht wird sich der letztere noch seiner Ausruffungen an den Mond und seines Durstes, und die Andern Alle sich der interessanten Scenen des Nachts auf dem Berge erinnern! –
Unerfahren in solchen Reisen, war schon bei unserer Ankunft in Sosa unser Proviant aufgezehrt, daß wir uns mit frischem versehen mußten, wozu wir Schnaps30 und Bier fügten, ein Jeder hatte das Seine. – Man rieth uns,[51] es war gegen 6 Uhr Abends, in Sosa sehr ab, des Nachts auf dem Berge zu bleiben, weil uns sehr frieren würde; aber, wie nun einmal junge Leute sind, wir lachten und bestellten einen Führer, welcher uns bis an den Fuß des Berges leiten sollte. Er erschien und wir traten die abentheuerliche Wanderung an.
Der Weg gieng durch ein schönes, mit Wiesen, Feldern, Bächen und Büschen geschmücktes Thal, in welchem schon einige Dämmerung herrschte. Aus dem Walde zu beiden Seiten drangen die Abendgesänge der Vögel an unser Ohr, die Purpurstrahlen der Sonne mahlten die Wipfel der Bäume und hie und da begegneten uns heimkehrende Feldarbeiter und Bergleute, welche uns nicht wenig anstaunten; denn unser Zug mochte auch besonders in die Augen fallen. Voran der Führer, dann einzeln nach einander, weil der Weg schmal war, wir Wanderer mit Flaschen und Gewehr belastet. –
Nie kann ich aber das romantische Thal vergessen, durch welches wir giengen, so abwechselnd, so heimlich und doch freundlich. Jetzt war zur Rechten Tannenwald und zur Linken Laubholz mit Felsen, jetzt umgekehrt hatten wir Nadelholz zur Linken und Buchen zur Rechten; jetzt giengen wir durch gewässerte Wiesen, jetzt zwischen Aeckern und Gebüschen, und ein murmelnder Bach blieb stets uns zur Seite. Endlich kamen wir an dem steil aufragenden Fuße des Auersbergs an und blickten beklommen an der mächtigen Höhe[52] empor, nicht ahnend, daß wir nun noch über eine Stunde zu steigen hatten. Unser Führer stieg eine Strecke mit uns empor und zeigte dann, in welcher Richtung wir uns halten müßten, wünschte uns gute Nacht und verschwand.
In Sorgen des Weges und in Furcht (ich will es nur gestehen) vor Wilddieben stiegen wir empor, fest entschlossen, uns mit keinem Blicke umzusehen, damit wir die Aussicht dann doppelt genießen möchten. Wir kamen nun an einen Absatz des Berges, ungefähr in der Mitte der Höhe; hier zog sich eine schmale Seite des Waldes hervor, mit einzelnen Granitblöcken, welches angenehm auffiel. Wir kamen an mehrere der erwähnten Gruben, in welchen ewiger Schnee blinkte; uns schwitzte sehr, und der Contrast der Jahreszeit mit diesem Schnee regte unsern Durst, daß die mit genommenen Flaschen Bier es empfanden.
Wir kamen sodann an den Theil des Berges, welcher der Thurm heißt und wurden froh, weil wir das Ende unsers Steigens und das Ziel unserer Reise nun bald erreicht sahen. Jetzt wurde es etwas waldiger, wir drängten uns durch Gebüsche, immer emporsteigend, bis wir endlich, und mit welchen frohen Gefühlen! auf die Spitze des Berges kamen. Wir ersahen uns ein bequemes Plätzchen, warfen unser Gepäck hin und uns daneben nieder, um auszuruhen; es wurde gegessen, getrunken, gescherzt und unterhalten.[53] Acht Uhr war vorbei, aber auf dem Berge war es nach dem Stande der Sonne etwa erst fünf Uhr. –
Nachdem wir uns gelabt und erholt hatten, wurde Anstalt gemacht, (umgesehen hatten wir uns wenig oder gar nicht) eine Hütte von Reisig aufzubauen, worein wir uns des Nachts legen könnten. Wir fiengen daher an, mit unsern – Säbeln Aeste und junge Bäume abzuhauen, sammelten eine Menge dürres Holz zu einem Feuer und nun gieng der Bau an. Nach einer Stunde stand die kleine Hütte fertig, vor der Thüre31 derselben loderte ein Feuer und die ganze Scene schien einer Niederlassung unstäter Nomaden oder Apenninischer Rinaldo-Truppen32 nicht unähnlich zu seyn; denn die Andern hatten sich um das Feuer gelagert und schmauchten ein Pfeifchen. Aber ich strich noch auf dem Scheitel des Berges herum, mich umzusehen, es war 10 Uhr vorbei.
O Gott! wie ward ich überrascht, als ich hin nach West blickte und die Sonne, ohne Strahlen, wie eine Rubinkugel, glühend am grauen Horizonte hinab sinken sah! – Alle Sterne funkelten am Himmel und in seinem Silberglanze strahlte zugleich der Mond, von der Erde unter mir war nichts zu sehen, ein weißer Nebelschleier wallte darüber. Der Anblick griff mich zu[54] mächtig an, ich wußte nicht mehr, wo ich war, als ich Sonne, Mond und Sterne am Himmel, Tag und Nacht zugleich sah; und nun die erhabene, schauerliche Stille, welche nur bisweilen ein rauher Windstoß durch den Forst unterbrach! – Ich wollte weinen, und wußte nicht, warum, – beten wollte ich und konnte nichts denken, und so starrte ich in der höchsten Bewegung meines Geistes umher. Alles war so friedlich, so ruhig, und lieblich winkten die goldnen Sterne mir: – da ward mir leichter, da sank eine drückende Last von meinem Herzen, da fühlte ich mich plötzlich dem Himmel näher, ich stand vor dem Throne der Gottheit und trunken schwebte ich durch das Reich der Sterne hin … ewig war der Raum, mein Flug ein Gedanke, meine Bahn zwischen Sonnen, ach! und ich konnte sie nicht beenden … des Raumes Ewigkeit warf den zitternden Jüngling wieder auf seine Erde. – »O! wäre es mir – seufzte ich – nur vergönnt, so ewig auf Erden zu leben! Warum muß ich wieder vergehen, ohne zu wissen, was ich war, wo ich war? Das wäre grausam, wenn ein Gott ist.« – – Und da sank schnell die Sonne hinab, ich schauerte zusammen; – »Ja! – rief ich – ja, ich sinke! Aber ich gehe auch wieder auf, gehe strahlend wieder auf!« – Mein Geist rang mit einem Heere schrecklicher Zweifel, endlich besiegte er sie, mit Sonnenlichte strahlte der göttliche Gedanke Unsterblichkeit in mir auf: und lieblicher winkten alle Sterne mir, und freundlicher[55] lächelte der Mond auf mich. Beruhigt, getröstet und heiter kehrte ich zu meinen Freunden zurück. –
Diese hatten nichts mehr zu trinken, und waren von Durst und von Ameisen33 geplagt. Längst schon waren Zwei fort, um Wasser aufzusuchen, aber noch nicht zurück gekehrt, daß wir unterdessen viel Angst ausstanden; endlich kamen sie und brachten – mehrere Flaschen Bier, statt Wasser, welches sie, man denke die Aufopferung, aus Wildenthal herauf geholt hatten. Dankbar gegen sie labten wir uns und legten uns einmüthiglich in die Hütte, um ein wenig zu schlafen, es war 12 Uhr Mitternachts.
Kaum hatten wir uns an einander gelegt, um uns zu wärmen, denn über die flache Bergspitze daher strich ein kalter Nachtwind, da pfiff man plötzlich in einiger Entfernung von uns zweimal stark auf dem Finger … wir fuhren erschrocken auf und griffen – ängstlich nach unsern Gewehren. Noch einmal pfiff es jetzt, daß der Wald gellte, wir hoben uns langsam und leise empor und fürchteten schon, von Wilddieben angefallen zu werden,34 gossen daher Bier auf die[56] glimmenden Kohlen, damit wir dadurch nicht bemerkt würden. – Horch! da raschelt es durch das Riedgras langsam über den Scheitel des Berges daher … Keiner von uns wagte erst, aus der Hütte zu sehen; endlich gewahrten wir ein hohes, schlankes Reh nicht weit von uns vorüber trippeln, welches gerade auf die Gegend hinab, woher der Pfiff gekommen war, zulief, lange noch hörten wir das Geräusch seiner Tritte, bis es nach und nach verschwand. – Plötzlich gieng ein Büchsenschuß auf, der, von dem Echo vervielfältigt, schauerlich durch die Thäler der Nacht dahin krachte, und nicht lange darauf hörten wir im Thale auf der Mittagsseite einen Wagen rollen. Es war also gegründet, daß böhmische Wilddiebe in unserer Nähe gewesen waren. –
Wir hatten nun nicht eben die größte Lust, mehr zu schlafen, sondern standen auf und machten wieder Feuer an, während dessen sahen wir in Böhmen ein ziemliches Feuer aufgehen; wir nahmen das Fernrohr zur Hand und bemerkten, daß zwei Scheunen wegbrannten.
Ein Uhr war jetzt vorbei und schon stieg am östlichen Himmel die Morgenröthe auf, und reiner und schöner strahlte ihr purpur goldener Saum; auch der Scheitel des Berges fieng jetzt an, sich hie und da zu röthen, einzeln verloschen schon am Himmel die Sterne, bleicher wandelte Luna und kehrte allmählich ihr Angesicht nach dem blühenden Sonnengotte, welchem funkelnd Venus voraus wandelte.35 Aber auf der Erde drunten war noch Nacht und Dunkel; kein Berg, kein Thal, kein Wald, keine Stadt, nichts war zu unterscheiden, alles war eine ewigragende Finsterniß; aber Verklärung herrschte auf dem Berge.
Ach! es wäre doch grausend und schrecklich gewesen, wenn auf immer die Erde so von mir wäre getrennt geblieben, wenn ich nicht mehr unter den Menschen dieses Lebens hätte wandeln können, nicht mehr von ihnen geliebt und gehaßt, belohnt und betrogen worden wäre und so einsam immer auf der Spitze des Berges hätte weilen sollen! Man leidet und duldet gern, wenn andere leiden und dulden, aber man genießt alle Seligkeiten doppelt, wenn man sie als Mensch unter Menschen genießt. –
Immer lichter und goldener wurde es in Osten, immer weiter am Himmel verbreitete sich ein hehrer Glanz; ein Fleck war jetzt der strahlende Verräther der Sonnenbahn, sichtbar erhöhte[58] sich das Licht, die Vögel des Waldes auf der Höhe des Berges wachten auf und sangen so schön, eine wärmere Luft strich über unsere Wangen, – und da hob sich in weißer Gluth, neu und vergnügt die liebe Sonne am fernsten Horizont langsam empor. Ihr erster Strahl traf uns und die Spitze des Berges. Unter uns war alles noch finster und still, weiße Nebel wallten durcheinander, bis endlich nach und nach die Sonne höher stieg, durch ihre allmächtigen Strahlen die Nebel zerriß und zerstreute, und magisch uns die Menge der Städte, Dörfer, Häuser, Felder, Wälder, Berge und Felsen enthüllte und darstellte. Dieser Anblick war äußerst überraschend und herrlich! –
Wir konnten mit bloßen Augen viele Meilen weit ziemlich deutlich im Umkreise umher blicken und durch Hülfe des Fernrohrs uns besser von den Gegenständen überzeugen und mancherlei neue entdecken. Wir konnten gegen Abend hin das ganze Voigtland und die verschiedenen Herrschaften, die ganze Zwickauer Gegend, nach Mitternacht hin die Schönburgischen Landschaften mit ihren Schlössern und Ruinen und die dahinter sich anschließenden Gegenden erkennen. Nach Morgen zu das untere Erzgebirge und ein Theil des Meißner Landes, woran sich weiter oben Böhmen anschließt und dann in einem halben Kreise nach Mittag bis Abend hin sich ausbreitet. Zwischen Morgen und Mittag ragt aus mehrern größern und kleinern Bergen stolz der waldige Fichtelberg empor und schielt neidisch herüber[59] auf seinen kleinern Bruder; weiter hin nach Morgen der grabähnliche Pöhlberg36 und alle die darum liegenden Berge. Näher vor sich sieht man den Riesenberg, einen ziemlich hohen, kahlen, mit ruinförmigen Basaltfelsen auf der Spitze ausgezeichneten Berg, und so gegen Mittag hin nimmt man viel hohe Berge in Böhmen wahr, worunter sich vorzüglich ein mit hellgrünen Steinen bedeckter, auszeichnet. Wir hatten eine entzückende Aussicht! – Nun wollten wir auch nach dem lieben Schneeberg sehen, lange mußten wir suchen, und wie groß war unser Staunen, als es tief, tief da unten so klein und unbedeutend lag, daß wir unsern Augen kaum trauten. So gieng es uns mit mehrern näher liegenden Orten, wir mußten, ob sie schon auf Bergen lagen, sie doch in der Tiefe aufsuchen.
Wenn die Luft rein und hell ist und man ein gutes Fernrohr hat, kann man sich viel Vergnügen und zugleich manche Belehrung über die Lage und Form verschiedener Städte, Dörfer und Gegenden verschaffen, ob man sie gleich mit keinem Fuße betreten hat; man kann, und zwar mit Wahrheit, versichern, diesen und jenen Ort wirklich gesehen zu haben, ohne in die Gegend gekommen zu seyn. –
In dem Walde um und unter uns wurde es nach und nach immer lebhafter; wir hörten fleißige Holzäxte klingen, hörten das Rasseln der[60] Wagen in den nahen Thälern, (des Wildenthaler Blechhammers monotonische Schläge hatten wir die ganze Nacht hindurch gehört) und den schwebenden Schall der Frühglocken, das frohe Gebrülle des Viehes, das man auf die Weide trieb, und den schönen Gesang der Vögel. Es war entzückend, unvergleichlich erhaben, jetzt auf dem Berge zu weilen. In Thränen hätte man vor Wonne vergehen mögen! – –
Lange noch senkten wir die trunkenen Blicke umher auf die Gegend, wo wir immer mehr neue und interessante Gegenstände und Scenen auffanden. Endlich aber, von Hunger und Durst geplagt, schickten wir uns zur Rückreise an, welche wir auch vergnügt und glücklich vollendeten.
Nach mehrern Jahren reißte ich wieder einmal auf den Auersberg und fand die Ruinen unserer damaligen Hütte noch, worüber ich die lebhafteste Freude empfand, denn dadurch wurde ich an manche frohe Stunde erinnert, die ich nie wieder so genießen werde.
Reiche Leute könnten sich recht verdient um den Auersberg machen, wenn sie eine nicht zu hohe, steinerne Gallerie auf die Spitze desselben bauen ließen; die Aussicht gewönne dadurch ungemein, man hätte mehr Bequemlichkeit, und in der Ferne würde dieß dem Berge ein interessanteres Ansehen geben. – Steine giebts im Gebirge, auch arme Leute genug, die sich etwas verdienen möchten und könnten! –
Eine Novantike für Freunde der Natur.37
Den 12ten July 1793.
Hab ich mir je gewünscht ein Dichter zu seyn: so hab ichs heute. Heute habe ich die Sonne auf dem Auersberg aufgehen gesehen. Eine Erscheinung, Freund, die schon von vielen Dichtern lebhaft besungen und von Prosaikern beschrieben worden; deren Beschreibung aber doch das Gefühl in mir nicht rege gemacht hat, als es die Natur diesen Morgen selbst in uns hervorbrachte. Sey es nun, daß das frühe Erwachen, die Morgenluft und die mit ihr vereinigte Bergluft, die höhere Region, in welcher wir uns befanden, zu unserer Stimmung für Freude und reine Naturgefühle das Ihre beygetragen haben: genug, ich muß Dir gestehen, daß ich solche Empfindungen nie in mir gefühlt habe: ob ich schon die Sonne oft, aber auf der Ebene, habe aufgehen[62] sehen. Ich will dir ohne allen dichterischen Schwung die Erscheinung, so gut ich kann, beschreiben.
Um 12 Uhr des Nachts machten wir uns in Eybenstock auf den Weg; denn wir hatten volle 2 Stunden, einen ziemlich ungebahnten Weg bis auf die Spitze des Auersberges, der Thurm genannt, zu steigen. Unser Weg bis an den Abhang, welcher sich in das Thal der großen Bucke hinabstürzt, war fast eben. Aber auf einmal als wir uns dem Abhang näherten, wo wir gegen über wieder aufwärts klettern mußten, wurde unser Pfad kritischer. Vorsichtig und in Gefahr hinab zu rollen, stiegen wir in das Thal der großen Bucke hinab, und befanden uns, so viel als die Schatten der Nacht urtheilen ließen, in einem sehr engen, auf beiden Seiten mit hohen Gebirgen und freistehenden Felsenwänden umgebenen Thal eingeschlossen. Der einzige Ort wo wir ins Thal herab gestiegen waren, machte es zugänglich. Von hier aus stiegen wir wieder in einer von freystehenden Felsen gebildeten, mit hohen Bäumen bewachsenen und durch zerstreut umherliegende Felsenmassen fast unwegbaren Schlucht aufwärts. Das durch die Hitze der vorigen Tage ausgetrocknete Moos und die durch die schattichten Bäume noch dunkler gemachte Nacht, erschwerte unser Steigen ungemein. Unsere Schuhe wurden so glatt, daß wir aller Versuche ungeachtet, uns nicht immer aufrecht erhalten konnten; und die[63] Dunkelheit erlaubte es nicht uns bequemere Fußtritte auszusuchen.
Unter solchem mühvollen Aufwärtsklettern waren wir endlich auf der Spitze des Berges angelangt. Heller als das Thal war die Region in welcher wir uns befanden. Wir konnten die wenig entfernten Gegenstände ziemlich genau unterscheiden. Die schwarze Farbe die über der Süd-, Nord- und Oestlichen Gegend ausgebreitet war, ließ uns Waldung vermuthen; auch bestätigte die Aussage unsers Führers unser Urtheil. Diese schwarze Farbe war aber auch jetzt alles, was wir in einiger Entfernung unterscheiden konnten; denn es war finster auf der Tiefe. Die Nacht lag noch mit ihrem bleyernen Zepter über der Gegend um uns her, indeß in Osten die weißen Sonnenstrahlen den Schimmer der Sterne verbleichten, und nur die hellglänzende Venus allein übrig ließen. Diese ersten Bothen des werdenden Tages veränderten ihre Farbe aus einem ekelhaften Grau bald in ein helles blendendes Silberweiß: und ihr Abglanz erhellte den Ort unsers Aufenthalts. Noch immer bedeckte Dunkel das Erdreich, und Finsterniß die schlafenden Völker; doch die Umrisse der Gebirge wurden mehr bemerkbar. – Jetzt verlohr auch Venus ihren Glanz und verbarg ihr reizendes Gesicht hinter den Strahlen des Taggestirns als einen undurchsichtigen Schleier. – Jetzt röthete sich tief im Osten der Horizont, aber bald fuhr sie höher herauf, Aurora, die Hoffnung des kommenden goldhaarigen[64] Phöbus. – Goldene Strahlen warf der Schneeberg38 in Südwest uns zurück, und machte ihn durch sein Leuchten in der Entfernung kenntbar. – Jetzt war es ganz Tag bey uns, jetzt umtönte uns der Gesang der erwachten gefiederten Waldbewohner; und doch ruhete noch Nacht auf der Tiefe. Noch konnte man Eybenstock nicht deutlich unterscheiden. Die schlängelnden Krümmungen der Thäler waren mit einem sanften Milchflor ähnlichem Nebel bezeichnet. Das Morgenroth, das der Sonne voraus gieng, hatte so eine brennende Purpurfarbe, daß unsere Augen seinen Anblick kaum vertragen konnten; und wir erwarteten jeden Augenblick den Hervortritt des jungen Phöbus. Eine neidische schwarze Wolke am Horizont entzog uns die ersten Strahlen noch wenige Augenblicke. Auf einmal aber brach, über die neidische siegend, der erste Strahl der Sonne gleich einer Fackel hinter einem Vorhang hervor gebracht, so durchdringend hervor, daß unsere Augen thränend wurden. – Die beyden Basaltberge, der Pöhl- und Bärnsteiner Berg, bildeten ein Thor, durch welches die Sonne sich den Eintritt über den Gesichtskreis eröfnete. Um uns her glänzten der Berge Spitzen – und die Schatten der Thäler zerstreuten sich immer mehr und mehr. Zween Hirsche zogen sich von den Feldern in ihre dicken Schlupfwinkel langsam mitten am Auersberge zurück. Gerührt über das majestätische Schauspiel der Natur hatte es keiner von uns gewagt, ein lautes[65] Wort zu sprechen: – so mächtig wirkte diese erhabene Naturscene auf unsere Empfindung! Der dumpfe Schall des Hammers im Thal der großen Bucke tief unter unsern Füssen gelegen, versetzte uns auf einmal in Gedanken auf die Spitze des Aetna, und wir wähnten, das Getöse der einäugigen Cyclopen in ihrer Werkstatt zu hören, und erzitterten über den etwanigen Ausbruch eines Feuerstroms aus dem Bauche des Berges. – Jetzt hatte sich eine Aussicht über eine Fläche eröfnet, die nur gesehen aber nicht beschrieben werden kann. Das erste was uns in die Augen fiel, waren die Merkmale, daß die Bewohner der vor uns liegenden Städte und Dörfer nach und nach erwachten. Dicke senkrechte Rauchsäulen stiegen aus ihren Wohnungen hoch in die Luft empor, wo sie durch Strahlen der Sonne zerstreut wurden und erinnerten uns, daß die erwachten Einwohner dem arabischen Gotte in diesen frühen Morgenstunden ein Rauch- und Trankopfer zu bringen schon bemüht waren.
In Südwesten ragte über die nahen Gebirge in blauer Entfernung der schon erwähnte Fichtelberg hervor. Weiter gegen Westen breitete sich ein Theil des Voigtlandes, des Erzgebirges, des Altenburgischen und des Schönburgischen, wie eine Landkarte aus. Dörfer und Städte, Thäler, Hügel und Berge, Fruchtland und Waldungen wechselten so angenehm und so frey ohne gezwungene Ordnung mit einander ab, daß wir uns davon kaum loszureissen vermochten. Eibenstock,[66] Schneeberg, Zwickau, Crimmitschau, Altenburg, Hohenstein, Lichtenstein, Annaberg, Scheibenberg waren mit bloßen Augen ohne Schwierigkeit zu unterscheiden. Und die Menge Dörfer, welche vor uns lagen, lassen sich nicht alle herzählen. Gegen Nordosten lag der König der sächsischen Gebirge und bedeckte die Aussicht in das ebene Land Böhmens. Südöstlich lag Johanngeorgenstadt in einer Einöde rund mit Waldungen umgeben; und weiter südlich war, so weit das Auge reichte, die Waldung kaum durch ein einzelnes Waldhaus unterbrochen. Jetzt wünschten wir den Thurm wieder hergestellt, welchen einst ein sächsischer Regent auf die Spitze dieses Berges zu seinen Vergnügen, wenn er hier jagte, hatte bauen lassen; wovon auch noch die Spitze des Berges der Thurm genannt wird; träumten uns dann die ungleich größere Aussicht, dachten uns unser Auge mit einem Herschelischen Telescop bewaffnet! Die Erde, welche nun jetzt schon so groß, so schön sich uns darstellte, würde es gewiß dann noch mehr seyn; und welchen Horizont hätte hier der Astronom!
Mit einem Wort, ich kann dir die Freude nicht beschreiben, welche ich diesen Tag auf dem Auersberg genossen: unvergeßlich wird er mir seyn, denn zu tiefe Eindrücke haben alle, die von mir daselbst zum erstenmal gesehenen Erscheinungen in meiner Seele gemacht. Noch eine Bemerkung, welche ich diesen Morgen beym Aufgang der Sonne machte, muß ich dir mittheilen.[67] Ich erinnerte mich an die Urgeschichte der Welt, und überzeugte mich fest: Moses, oder wer der Verfasser derselben ist, hat auf einem hohen Berg den Aufgang der Sonne gesehen, und bei der Beschreibung der Schöpfung kopirt; denn alle Erscheinungen folgten fast in der von ihm angeführten Ordnung.
Es war finster auf der Tiefe. Gott sprach: es werde Licht, und es ward Licht. Das hab ich heute mit meinen Augen gesehen, daß, und wie es Licht ward, ohne eine Sonne zu sehen. Es sondern sich Wasser von den Wassern und bilden eine Veste. – Hier hat der Verfasser Nebel aufsteigen gesehen, welcher das flache Land bedeckt, und sich nach und nach zu Wolken gebildet hat. Damit man das flache Land von den Wässern, Flüssen, Seen, Meeren u. s. w. unterscheiden könnte, läßt er den Schöpfer eine Absonderung gebieten. Die Nebel schwanden, und man sah Trocknes und Erde. – Jetzt sahe er Pflanzen, Gräßer und Bäume auf der Erde – diese mußte der Schöpfer nun schaffen. –
Jetzt gieng die Sonne wirklich auf. Doch du wirst, ohne mich, die Idee sehr leicht weiter ausdehnen können. Dieser Gedanke soll keine Erklärung der Urschrift seyn; sondern ich führe ihn nur der Aehnlichkeit wegen an.
Das Hammerwerk Wildenthal liegt nicht übel in einem tiefen Thale, an dem einen Fuße des Auersbergs. Das Herrschaftshaus, hinter welchem sich eine waldleere, grüne Bergseite, mit einem am Saume des Waldes hervor stehenden Hause, erhebt, nimmt sich vorzüglich gut aus. Ueberhaupt herrscht eine auffallende Thätigkeit und Lebhaftigkeit in diesem einsamen, wildromantischen Thale; das Geräusch der Hämmer, des Fuhrwerks, des Wassers, der dazwischen tönende Klang der kleinen Glocke, – und wer zählt all das Geräuschvolle in diesem Thale hier auf? –
Sehr angenehm aber ist vorzüglich von hier aus der Weg nach Eibenstock zu.
Nicht weit von dem Wirthshause geht man über eine Brücke, unter welcher sich ein röthlicher Bach über Granitblöcke schäumend wälzt und in kleinern Gräben dann auf die Räder vertheilt, welche hier in einigen Hütten gehen. Zugleich senkt sich hier das Thal tiefer, so daß man jetzt an der untern Seite eines Berges fortgeht und den Rest des weit hinab sich dehnenden Thales zur Rechten hat. Der Weg zieht sich links an dem hohen Gebirge hin, ist eben und fest, und so über eine Stunde fast lang zu beiden Seiten[69] abwechselnd und gemischt von Buchen und Tannen beschattet. Je weiter man wandert, desto angenehmer wird es; große, bunte Felsenblöcke ragen dicht zwischen den hochstämmigen Fichten, Buchen und Tannen, welche die linke hohe Gebirgsseite bis zum Wege herab beschatten, hervor; von da senkt sich sogleich der dunkle Wald wieder hinab in das Ende des Thals, aus welchem das Gemurmel des Waldbachs dringt. Gebrochene Tannen liegen trauernd hier und da, und durch die Lücken der Waldung sieht man drüben die kahlen, oft von Buchenhölzern und Felsen belebten, übrigen verschiedenen Gebirgsseiten hervorragen, vorzüglich den Abfall des Auersberges. Hier herum wachsen viele stärkende und gesunde Kräuter, deren Duft zur Abendzeit im Sommer den Geruchsinn lebhaft ergötzt.
Ich wanderte diesen Weg einst in einer warmen, mondhellen Sommernacht; aber es war schaurig, der Mond bildete allerlei Gestalten, die tiefste Stille herrschte, nur vom Gewimmer flatternder Eulen unterbrochen, der Bach rauschte unten so einförmig dahin; ich war allein, und damals von düstern Gedanken umlagert. Aber es war dennoch schön, eben dieses schauerliche Wesen schuf mir Genuß! Auf einem hohen Felsenblocke saß ich, mitleidig stahl durch den Raum schwarzer Tannen des Mondes bleicher Strahl sich zu mir herab, mit trübem Blicke sah ich die glückliche Vergangenheit im fliegenden Rosengewande vorüber schweben und trauernd blickten auf[70] mich die geschiedenen Freuden, – als ich auf einmal langsam Tritte daher schallen hörte, ich fuhr empor. – Ein alter Mann gieng vorüber und eilte erschrocken zurück, als er mich gewahrte. Ich lief auf ihn zu und beruhigte ihn. »Ach! mein lieber Herr, – meinte er in seiner Einfalt, – hierum ists auch nicht richtig!« – Ich lächelte für mich und gab blos meine Neugierde zu erkennen, weil es eine vergebliche Mühe ist, alte Leute von dem Glauben an wandelnde Geister zu heilen. Er gieng einen Weg mit mir und erzählte mir folgendes Mährchen:
»Vor vielen hundert Jahren, da hier noch alles menschenleer und wild war, verirrte sich in dieser Thalgegend ein reicher böhmischer Graf, welcher von einem Feste, das ein Reußischer Fürst gab, mit seiner Tochter nach Böhmen zurück kehrte. Er war mit der schönen Tochter von seinem Gefolge abgekommen und hatte sich auf diese Art mit ihr verirrt. Beide waren zu Roß, aber da sie in dieser Wildniß nicht mit den Rossen durchkommen konnten, banden sie dieselben an und giengen um auf einen Weg oder auf ihr Gefolge zu stoßen. – Es war Nacht, Alles dunkel und finster, kein Stern stand am Himmel und so geriethen sie abgemattet, hungrig und durstig an den Ort, wo ich erst saß und wo der große Felsenblock liegt. – Der Graf war ein böser Mann, der seine Unterthanen drückte und quälte, manche Jungfrau, manches Weib schon unglücklich gemacht hatte und stets in Schwelgerei[71] lebte. Er fieng auch jetzt an, zu fluchen und zu toben, als er sich verirrt sah und lästerte den Namen Gottes; aber seine Tochter, ein gutes, frommes Kind, betete zu Gott, daß er sie und ihren Vater aus dieser Wildniß erretten möchte. Den bösen Vater verdroß ihr Gebet, er zog das Schwerdt und gebot ihr unter den gräßlichsten Drohungen, zu schweigen; aber sie betete in ihrem Herzen fort. Endlich wurde es plötzlich hell, wie wenn der Mond scheint, – ein fremder, großer Ritter in schwarzer Rüstung stand vor ihnen und sprach: »Graf! so du mir dein Kind giebst, will ich dich erlösen aus allem Ungemach: ich bin ein Rittersmann, nicht weit von hier liegt meine Burg!« – Und der Graf antwortete: »Wohl will ich dir die Dirne überlassen, so du mich aus der Wildniß geleitest.« Aber das Mädchen zitterte heftig und betete zu Gott. Da sprach der schwarze Ritter: »Ich habe keine Gewalt an ihr, doch du bist reif, grausamer Vater! Deine Zeit ist vorbei, du mußt mit mir von hinnen!« – Ob dieser Worte entbrannte der Graf in seinem Zorne und hob das Schwerdt. Aber der schwarze Ritter grinzte ihn schrecklich an, und, als der Graf auf ihn zustürzte, ergriff er einen großen Felsenblock und schleuderte ihn auf den Grafen. Dieß ist der Block, den man heutiges Tages noch links am Wege sieht, darunter soll nun der böhmische Graf liegen. – Der schwarze Ritter war – der Satan, welcher alsbald mit Gestank und Dampf verschwand. Aber vom Himmel stiegen die heiligen[72] Engel hernieder, trugen die fromme Tochter aus der Wildniß und heim auf ihr Schloß nach Böhmen. Zum Andenken an diese Begebenheit stiftete sie ein Kloster, welches aber im Jahr 1507. von einer Räuberhorde verbrannt und zerstört wurde.« –
Dieses Mährchen hat freilich viel Lücken, aber um der Gegend willen, welche ich schilderte, rücke ich es hier mit ein. – Am Ende dieses schönen Weges, nämlich bey den Eibenstöcker Feldern, wo die Poststraße einen großen, bogigen Umweg macht, hat man die Aussicht theils auf die vor uns liegenden, sich ausbreitenden Fluren, theils auf Berge, Wälder, Felsen und Häuser, welche vermischt in einem Halbrunde sich darstellen.
Man geht nun auf dem Fußsteige fort, welcher sich bei einer Mühle vorbei zieht. Rechts senken sich die Wiesen tiefer hinab bis an den Saum des Waldes und an diesem Saume ragt ein ziemlich hoher, ruinförmiger Fels auf einer kleinen Anhöhe auf, welches einen schönen Anblick gewährt.
Jetzt kommt man durch ein kleines romantisches Wäldchen von Tannen und Laubholz, welches rings herum von Feldern eingeschlossen ist; mehrere Felsentrümmer liegen hier und da, angenehm und vielfach ertönen der Vögel Gesänge und die Liebe scheint hier mit ihren süssen Geheimnissen zu weilen. Mehrere kleine Gräben durchschneiden die nahen Wiesen zur Wässerung, welches,[73] wenn die Sonne das Wasser in Silber verwandelt, herrlich aussieht; und nun weiter vorn kommt man wieder auf die Straße und erblickt Eibenstock.
Eibenstock ist gewissermaßen in einem Halbrund gebaut, auf der einen Seite ziemlich eben, auf der andern aber ziehen sich die Häuser etwas bergab, und steigen zum Theil dann wieder an einem Berge auf. Im Ganzen ein recht schöner Anblick. Uebrigens ist die Gegend um Eibenstock nicht etwa schlecht, aber man findet auch keine besondere merkwürdige Gegenstände welche eine nähere Schilderung verdienten. –
Der Weg von Eibenstock bis Oberblauenthal, ein Eisenhammerwerk an der Mulde, ist auch sehr unterhaltend.
Bis an den Wald vor Oberblauenthal hat man nun wieder allerlei Berge, Wälder und Gefilde vor den Augen, doch in dem Walde selbst herrscht eine angenehme Kühle und Abwechselung, und wenn man eine Strecke darin fortgegangen ist, senkt sich der Weg allmählich einen ziemlichen Berg hinab. – An dem Ausgange der Waldung wird man auf die angenehmste Weise durch den Anblick des Hammerwerks überrascht.
Dieses sieht man vor sich in einem engen Thale, auf dem obern Theile der Gebirgsseiten von Waldung fast überall umgeben; an den Bergen herab und unten breiten sich Felder und Wiesen aus, durch welche sich die Mulde, an ihren[74] Ufern mit Gebüschen geschmückt, hindurch schlängelt. Die gewöhnliche Lebhaftigkeit und all das geschäftige Wesen auf solchen Hammerwerken, das Rauschen mehrerer Bäche, alles dieses erhöht auch hier den schönen Anblick und giebt ihm viel anziehendes. Wenn man den Berg vollends hinunter gestiegen ist, hat man unten wieder eine interessante Ansicht von dem Thale.
Da, wo die Mulde hervorfließt, bildet hinten die schwarze Waldung ein schönes Halbrund, welches sich, je höher es steigt, in lichteres Grün verwandelt. Zur Seite sieht man den steilen Fuß des Berges, von welchem man herab kam, an seinem Ende nimmt man junge Fichtengebüsche und weiß hervor ragende Sandsteine wahr. Weiter hin, der Mulde entgegen, ragt ein großer, kahler, felsiger Berg majestätisch hervor, einzelne hohe Tannen zieren seinen Scheitel, an seinem jähen Fuße breiten sich bebuschte Wiesen aus, durch welche in einem schönen Bogen die Mulde sich windet. Der Anblick dieses blaßroth grauen Berges, ist so auffallend, als schön: aber auch hinter ihm ragen noch in der Nähe einige solche Berge, nur oben mit mehr Waldung, und unten aus der weiten Schlucht schimmert das schöne, herrschaftliche Gebäude des Hammerwerks Unterblauenthal hervor, welches zusammen gewiß ein angenehmer Genuß für das Auge ist. –
Dahin nun richte man seine Schritte selbst und betrete den Weg, welcher durch Erlengebüsche[75] oft hart an dem felsigen Ufer der Mulde sich hin windet.
Unterblauenthal liegt fast noch angenehmer, als Oberblauenthal; freilich kommt es hier auf das Urtheil eines Jeden selbst an, der diese Gegenden durchwanderte und kennt. Von Unterblauenthal, vorzüglich von dem sogenannten Herrnhause aus, hat man die schönste Aussicht durch das ganze lange Thal hinab; ich sage es noch einmal, die schönste, vortrefflichste Aussicht hat man hier. –
In Merkels, von Engelhardt neu herausgegebener Erdbeschreibung von Sachsen im ersten Bd. S. 201. ließt man Folgendes:
»Die Gegend über Eibenstock, Johanngeorgenstadt, Wiesenthal, Jöhstadt u. s. w. bis nach Böhmen auf der einen, und bis ins Voigtland auf der andern Seite, nennt man gewöhnlich (??) das Sächsische Siberien, ein Name, der freilich paßt, wenn man jene Gegenden mit Meisnischen oder Thüringischen vergleicht. Denn man erblickt dort, ausser etwas kärglichem Ackerbau, fast nichts, als Wald und Wüstung. Der Schnee liegt gewöhnlich 2–3 Ellen, in den Hohlwegen wohl 20–30 Ellen, tief, und schmilzt immer erst spät im Frühjahr, oft kaum vor Johannis. In einer Nacht verschneit gleich Haus und Hof, daß ein Meisner oder Thüringer etc. nicht wissen würde, ob er in Sachsen oder Siberien sei.« – –
Da Herr Engelhardt das Meiste aus handschriftlichen Nachrichten erfahren hat, so mag die angeführte Stelle auch aus einer dergleichen Nachricht vielleicht herrühren. Denn der verdienstvolle Herr Herausgeber würde sich gewiß bedacht haben, dieses einzurücken, wenn er die Gegenden bei Johanngeorgenstadt und Eibenstock durchwandert hätte, und Derjenige, welcher ihm jene Nachricht überschickte, hat entweder dabei besondere Absichten gehabt, oder er ist nicht weiter, als vor die Thüre gekommen. – Mir sowohl, als mehrern unpartheiischen Erzgebirgern, welche die Gegenden gewiß kennen, in welchen sie leben, kam es sehr lächerlich vor, daß man wähnen kann, in diesem Theile des Gebirges bloß kärglichen Ackerbau, Wald und Wüstung zu erblicken; daß ferner der Schnee in den Hohlwegen 20–30 Ellen tief liegen soll. Das ist nun wahrlich übertrieben! – Denn man stelle sich nur vor, wenn der Schnee 20–30 Ellen in den Hohlwegen liegen soll, müssen diese natürlich selbst so tief seyn;39 aber ich kann behaupten, daß es in dortiger Gegend nicht einen solchen Hohlweg gebe. Der Boden ist steinigt und fest, und kann so tief gar nicht durchgefahren werden, man würde sehr bald auf Felsen stoßen, womit die ganze Gebirgskette versetzt ist; übrigens ist auch das Fuhrwesen gar nicht so stark und häufig.[77] Der Begriff überhaupt, welchen man hier den Meisnern und Thüringern von dem obern Erzgebirge geben will, ist nun wohl ein wenig überspannt und falsch. Nicht ein Winter ist wie der andere, und man findet, wenn im Gebirge ein großer Schnee gefallen ist, auch in Meißen und Thüringen nicht wenig, wie ich sehr wohl weiß. – Es giebt sogenannte Spaßvögel, welche in den andern sächsischen Provinzen die fadesten Lügen40 von dem obern Erzgebirge gesagt haben. Verständige Leute sollten daher nicht Alles unbedingt glauben, das Ungewöhnliche nicht für das Gewöhnliche halten und weniger partheiisch seyn!! –
Von Unterblauenthal kommt man nach Sosa, ein ziemliches Dorf, dessen Einwohner sich theils vom Bergbau und Spitzenklöppeln, theils aber vom Arzenei verfertigen und Vitriolbrennen nähren. Man trifft, sogar in den entferntesten Gegenden, bisweilen Bergleute mit Arzeneikästen, welche meistentheils aus Sosa sind. Eigentlich sind es keine gewöhnlichen Bergleute,[78] sie kleiden sich blos aus besonderer Anhänglichkeit in bergmännische Tracht.
Sosa liegt in einem schönen Thale, zwei Stunden von Johanngeorgenstadt, von einem Bache durchschnitten und auf den beiden Bergseiten von Feldern und Büschen umgeben. An dem untern Ende des Dorfes fängt sich ein dichter, finstrer Wald an, welcher sich bis an den Ausgang des Thales fortzieht und wodurch der Weg nach dem Schindlerischen Blaufarbenwerke geht. Aber man stelle sich unter Weg hier ja nicht das vor, was eigentlich mit diesem Begriffe verbunden ist. Es ist vielmehr ein ganz schmaler, oft steiniger, oft lehmiger Pfad, der hier und da plötzlich verschwindet und eben so plötzlich wieder sich zeigt; Gestrippe und Aeste verwirren des Wanderers Fuß, daß man äußerst vorsichtig gehen muß, um nicht Schaden zu nehmen. – Man geht dem Waldbach anfänglich immer rechts zur Seite, aber weiter unten muß man öfters herüber und hinüber springen, um fortkommen zu können. Es ist ein schauerliches, stilles Thal, welches man hier durchwandert, nur selten sieht man den Himmel, kein Vogel singt hier, kein Blümchen duftet hier, ewiger Wald bedeckt Alles mit grauenvoller Finsterniß und eine Kühle, wie in Leichengrüften, herrscht darin. Banger Schauer schüttelte meine Glieder, in unerklärbarer Furcht pochte mein Herz, als ich das erstemal dieses Thal durchwanderte; oft sah ich mich ängstlich um, jedes Knarren einer[79] alten Tanne, jedes unbedeutende Geräusch erschreckte mich Einsamen, kein lebendiges Wesen war zu erblicken, und dennoch freute ich mich in der Beklommenheit meiner Brust dieses wilden Thals. Bald mußte ich über schlüpfrige Wurzeln, bald über Gestripp und Steine klettern, bald über den Bach setzen, bald durch dichte Gebüsche mich drängen, bald auf einem handbreiten Ufer, an herab hängende Aeste mich festhaltend, klimmen, bald hinan, bald herabsteigen. Weiter unten erhoben sich zu meiner Linken weißgraue Felsen aus dem grünen Dunkel empor, welche hier und da mit Moos bedeckt waren. Dieses überraschte mich sehr, und nach einer kleinen Strecke kam ich an einige schlüpfrige über den Bach gelegte Hölzer, auf welchem Wege ich dann einen Fahrweg erreichte, der bis an den Ausgang des Thals führt. So sehr Furcht und Grauen das Herz des Wanderers füllten, als er sich in diesem langen, schauerlichen Thale einsam und verlassen sah: um so größer war die freudige Ueberraschung und das Erstaunen bei dem Ende dieses Thals.
Aus dem schaurigen Dunkel des schweigenden Forstes trat ich plötzlich in ein breites, grünes, freundliches Thal, durch dessen Mitte hinab die Mulde sich schlängelte; Blumen prangten hier, Vögel sangen fröhlich, die Wellen des Flusses schlugen plätschernd an die Ufer, über mir war so rein und klar der Himmel ausgespannt und eine warme Luft umwehte mich. Ich kann nicht[80] sagen, wie angenehm ich überrascht war, mit welchen frohen Gefühlen ich umherblickte; mir war, als sei ich einer Gefahr entgangen, als käm ich aus dem Todtenhaine des Tartarus in die freundlichen Gefilde Elysiums. – Zu beiden Seiten sah ich die sehr hohen Gebirge mit vermischter Waldung bedeckt, an deren Saum hier und da Felsen von Buchen umschattet aufragten; vor mir erblickte ich das große, steinerne Wehr, auf dessen mittelsten Pfeiler ein weißes Monument daher blinkte, welcher Anblick ausserordentlich viel romantisches in sich faßt. Ich gieng nun weiter und kam auf das Wehr, welches zugleich eine Brücke über die Mulde bildet. Es ist aus lauter Quaderstücken auf dem felsigen Bette des Flusses gebaut und man hat hier zugleich den angenehmsten Anblick eines, wenn auch nicht hohen, aber doch starken, Wasserfalls; mit Pfeilesschnelle strömt das klare Wasser über die schrägen Quadersteine und stürzt dann schäumend und siedend sich in die klippenvollen Bassins hinab, wo es nun murmelnd weiter fließt. Ein dumpfer, ewiger Donner herrscht hier. Das weißmarmorne Monument auf dem mittlern Pfeiler ist einfach und geschmackvoll; es ist zur Erinnerung an den verstorbenen, verdienstvollen Factor Bauer auf dem Schindlerischen Blaufarbenwerke errichtet. In einem Oval ist eine lateinische Innschrift, welche sich ungefähr so anfängt:
En petrarum molem perennem! Perennis quoque sit memoria etc.
Die Mulde fließt hier hart an dem waldigen Fuße des Gebirges linker Hand fort, welches sehr schön in die Augen fällt. Man geht nun über das Wehr und immer den Weg an einem starken Bache fort, welcher von der Mulde abgeleitet ist und die Räder auf dem Blaufarbenwerke treibt. Zu beiden Seiten ist man von Erlen und Haselgebüschen umgeben, lachende Wiesen breiten sich aus, immer steiler und höher werden die Gebirge, tiefer wird das Thal und Alles schöner und freundlicher. – Jetzt sieht man das Blaufarbenwerk, weiße Dampfsäulen steigen empor, eine Menge dichter Holzstöße umschanzt es; die Gebäude sind gut gebaut und das ganze Werk überhaupt schön angelegt, welches Alles in diesem schönen Thale auf die angenehmste Weise sich darstellt. Das Schindlerische Blaufarbenwerk liegt an dem Fuße des Steinbergs, eines sehr hohen, steilen Berges, welchen Waldung und allerlei gestaltete Felsenblöcke bedecken. Es ist sehr angenehm daselbst und man findet vortreffliche Spatziergänge.
Der Weg geht jetzt hinter dem Werke vorbei und steigt ein wenig an, so, daß die ganzen Gebäude tiefer unten liegen. Weiter hin geht jetzt ein Weg den steilen Berg hinan, man kommt auf demselben nach einem kleinen Dorfe Albernhau;41 der andere Weg geht gerade auf dem[82] Fuße des Gebirges fort, daß man immer noch am waldigen, steilen Ende des gegenüber ragenden Gebirges die Mulde zur Seite hat. Dann kommt man bei dem Floßhause vorbei, wo sich ein Floßgraben42 anfängt, welcher durch mehrere Thäler fließt und dann in Schlema bei Schneeberg sich endigt. –
Von hier kommt man endlich an die sogenannte Muldenbrücke, welche überbaut ist und hart an einem Felsen anstößt, durch welchen ein tiefer, wagenbreiter Weg gehauen ist, welches sehr schön aussieht; im heißesten Sommer herrscht in diesem Felsenwege die angenehmste Kühle. Hier hat man eine herrliche Aussicht hinab auf das Thal, wo auf der einen Seite durch Wiesen, auf der andern die Mulde an Felsengethürme sich dahin schlängelt, an welcher man öfters Leute mit Angeln sitzen sieht. Einzelne Waldung bedeckt die Berge und weiter unten macht das Thal einen schnellen Bogen, daß es scheint, als endige es sich hier; Tannen und Fichten verhüllen Alles und in das dunkle Grün verschwindet hier die Mulde.
Der durch den Felsen gehauene Weg steigt jetzt einen ziemlichen Berg auf und ist bis zur Hälfte gepflastert; er führt nach dem nicht weit entfernten Dorfe Bockau. –
Diese Wanderung von Sosa aus gewährte mir viel und mannichfaltigen Genuß. Der Uebergang vom Schauerlichen und Wilden zum Freundlichen und Sanften, die immer neuen Abwechselungen, die Ruhe und der Friede in dem reizenden Muldenthale that meinem Herzen so wohl, daß ich mit Petro ausrief: Hier will ich mir Hütten bauen!
Wenn man von Johanngeorgenstadt nach Bockau geht, kommt man hinter dem einsam im Walde liegenden Jägerhause auch in eine Gegend, welche der Ochsenkopf heißt. Einige nennen das ganze dortige Gebirge so, andere nur eine Gegend desselben. Verschieden sind auch die Meinungen über den Ursprung dieses Namens, die alle hier aufzuzählen nicht nöthig ist; aber die allgemeine, und, wie mir scheint, richtigste Meinung darüber, will ich hier anführen:
Eine starke Viertelstunde hinter dem Jägerhause fand man vor vielen Jahren seitwärts vom Wege eine hölzerne Tafel an eine Buche angenagelt, worauf ein Ochsenkopf gemahlt war. Ein Fleischer trieb hier einen Ochsen; dieser wurde plötzlich scheu, gieng dem Fleischer zu Leibe und[84] spießte ihn auf die Hörner, daß er sterben mußte. Zur Erinnerung an diese Begebenheit ward auf der Stelle, wo man den Fleischer gefunden hatte, jene Tafel aufgerichtet und die ganze Gegend führt seit dieser Zeit den Namen Ochsenkopf. Denn in ältern Büchern findet man diesen nicht.
Dieses ganze Gebirge ist mit hohen Tannen und Buchen bedeckt, ist wild und öde; es giebt viele, vorzüglich warme, Quellen daselbst, und gebrochene Tannen sieht man zerstreut umher liegen. Ueberhaupt wenn starker Wind ist, muß man sich vorsehen, denn Bäume brechen dann links und rechts.
Der Weg geht bergab, ist steil und steinigt, und wird erst am Ende des Gebirges und der Waldung angenehmer. Man sieht dann zur Rechten eine Wiese von Laub- und Nadelholz umzäunt, und vor sich durch das Thor der Waldung die Kirche, mehrere Häuser und Felder des nahen Bockau's, hinter welchen sich oben mehrere waldige Berge herabziehn. Aus den fernen Bergen blickt zwischen schwarzem Walde der untere Theil von Albernhau herüber, welches Alles hier schön angenehm in die Augen fällt. Nun ist man den Berg herab gegangen und nahe vor Bockau; man hat die Aussicht in den romantischen Thalgrund hinter der Kirche, woraus sich ein Bach hervor schlängelt. Dann geht der übrige Weg bis an das erste Haus des Dorfes auf Fels und man sieht, daß die Kunst ihn bereitete.
Bockau ist unter den gebirgischen Dörfern eines der vorzüglichsten und schönsten; es hat fast lauter gute und viel schöne Häuser, zwei Schulen, und die Nahrung seiner Einwohner ist nicht gering. Es liegt in einem flachen Thale; gegen Morgen zieht sich mit Feldern und Aeckern, um welche hier und da Gebüsche stehen, eine Gebirgsseite herab, welche oben mit Wald bekränzt ist. Gegen das Ende des Dorfes bricht sich das Gebirge und bildet mit dem gegenüber ragenden Berge eine große Schlucht, durch welche hinauf die Häuser sich ziehen, welches zusammen sehr schön aussieht. Nach Abend zu, auf der flachen Seite des Thales, in welchem Bockau liegt, erblickt man nichts als Felder, durch welche sich Wege und Steige winden und schräg oben fällt ein gemischter, kleiner Wald mahlerisch in die Augen. Es ist diese Gegend in der That eine der schönsten. O! wäre meine Feder vermögend, alle die Aussichten, alle die abwechselnden Gegenstände zu zeichnen und zu schildern, welche stets neu dem Auge sich darstellen! – Wie schön z. B. nimmt sich Bockau und seine Gegend aus, wenn man auf der Höhe bei Albernhau steht, wie mahlerisch liegt es vor den Blicken des überraschten Wanderers ausgebreitet! –
Durch die erwähnten Felder, welche man mit vielerlei Kräutern und Arzenei-Gewächsen bepflanzt sieht, geht der Weg nach der erwähnten Muldenbrücke, also über Albernhau und Zschorlau nach Schneeberg. Die Gegend bei der Muldenbrücke[86] habe ich schon geschildert, aber es sey mir erlaubt, einen Anblick zu beschreiben, welcher mir auf dem Berge vor Albernhau ward. –
Ein Regen nöthigte mich bei meiner Wanderung, in der überbauten Muldenbrücke zu verweilen und unterdessen las ich die mancherlei Namen und Witzeleien, die mit Kreide und Kohle darin angemahlt waren. Viel Genuß fand ich hier freylich nicht. Als daher der Regen nachgelassen hatte, machte ich mich auf und stieg den vor mir liegenden Berg hinan, wo der Weg nach Albernhau führt. Auf der Höhe blieb ich stehen, um auszuruhen und blickte mich um: o! welch' ein überraschender Anblick entzückte mich! – Da, wo die Bockauer Felder am vorliegenden Walde sich endigten, bildete ein in verklärten Farben spielender Regenbogen ein großes Thor, vor welchem Alles, nach mir zu, in grauen Nebelgewölk gehüllt war: aber das dahinter liegende Bockau und seine angenehme Gegend beleuchteten mit einem ausserordentlichen Lichte die Strahlen der Sonne, daß es hinter finstern Wolken in der herrlichsten Verklärung vor meinen trunkenen Blicken ausgebreitet lag. – Der erhabene, herrliche Anblick ergriff mein Herz, es war mir unmöglich mich davon zu trennen und so stand ich, bis die Strahlen von Phöbus Antlitz die grauen Gewölke zertheilten und Iris wieder zurück in den Himmel kehrte. –
Wahrhaftig, wenn die Alten die Iris, oder den Regenbogen, eine Bothin der Götter nannten,[87] konnten sie kein erhabeneres Meteor wählen, denn man fühlt bei diesem Anblicke die ganze Seeligkeit des Olymps! –
Die Gegend des untern Theiles von Albernhau ist auch sehr romantisch; man sieht am Ende des grasigen Thales aus der dunkeln Waldung mehrere Felsen aufragen, welches dem Auge einen besondern Genuß gewährt.
Wenn man aus dem Walde hinter Albernhau kommt, sieht man tief im Thale erstlich Zschorlau, wie es sich so lang herabdehnt, und überhaupt ist dieses Thal durch allerlei Abwechselungen verschönt; ferner erblickt man die ganze Gegend um Schneeberg und sieht die Spitze des Kirchthurmes hinter der mit Feldern bedeckten Höhe hervor blicken, sieht Griesbach und alle die Berge, Teiche und Wälder und eilt freudig und begierig nach Schneeberg selbst zu.
Wenn man diese Wanderungen bis hierher interessant gefunden hat, wird es den Verfasser nicht reuen auf die kleinsten Gegenstände bisweilen Rücksicht genommen und auch die verborgendsten Schluchten durchwandert zu haben; denn ein Baum, ein Fels oder ein kleines Gebüsch, so unbedeutend diese auch an und für sich selbst seyn mögen, tragen oft im Einzeln viel zur Verschönerung einer Gegend bei. – Auf dieser Wanderung von Johanngeorgenstadt nach[88] Schneeberg nimmt man sehr deutlich den allmähligen Abfall vom minder Gefälligen und Fruchtbaren wahr. Vorzüglich zeichnet sich die Gegend um Schneeberg äußerst angenehm aus, ich zähle sie unter die schönsten des Erzgebirges, und sollte man in den vorigen Wanderungen vielleicht nichts Interessantes gefunden haben, so wird man es in diesen gewiß um so mehr finden. Denn man glaube nicht, daß ich diese Wanderungen aus schriftlichen Nachrichten zu Hause am Schreibepult gemacht und in ein Gewand gehüllt habe, welches Unbekanntschaft mit den erwähnten Gegenden bedecken sollte – Nein! ich habe das obere Erzgebirge selbst durchwandert und was ich erzähle, selbst gesehen. Diese kleine Erinnerung geschieht deswegen: weil ich oft zu warm und zu begeistert sprach, und man dieses in unserm korsarischen Zeitalter leicht für etwas anderes ansehen möchte. –
Schneeberg verdient unstreitig unter die größern und schönern Städte des Erzgebirges gezählt zu werden; es liegt auf einem ziemlich hohen, breiten Berge, welcher gegen Nord-West sich mit einem größern Gebirge vereinigt, so, daß es scheint, als wenn der Berg ein Ausdrang43 jenes Gebirges sey. Rings umher dehnen sich in einem Kessel nahe und entfernt mehrere Gebirge und man sieht auf diese Art den Schneeberg44 in einem runden Thale sich erheben. Diese Gebirge sind theils mit Fluren, Häusern und Zechen, theils mit Laub- und Nadelholz, mit Felsen und Gebüschen bedeckt und geschmückt, und über die ganze Gegend ist ein mildes, freundliches Licht verbreitet. –
Majestätisch hebt sich die schöne, große Kirche über die Stadt empor und in der weitesten Ferne hört man den harmonischen Klang der[90] Thurmglocken. Eine Menge Gärten und Obstbäume umgeben das Ende der Häuser und den grünenden Berg. Auf zwei Seiten ziehen sich die Häuser herab an den Fuß des Berges, nämlich nach dem Schießhause zu auf der einen, und nach Neustädtel und dem Mühlberge zu auf der andern. Man nennt daher diese Häuser, weil sie tief im Grunde liegen, die erste Seite, den Schießhausgrund, die andere, den Mühlgrund, oder auch schlechtweg den Grund. Jedoch auf der letztern Seite vereinigen sich die Häuser so eng mit Neustädtel, daß der Fremde nicht das Ende und den Anfang beider Städte wahrnehmen und auf diese Art Alles für ein Ganzes halten wird.
Das Lyceum in Schneeberg ist von jeher wegen seiner Lehrer und der zweckmäßigen Anstalten, vorzüglich aber wegen des gut eingerichteten Singechors berühmt gewesen, welcher unter der Leitung und rastlosen Thätigkeit des würdigen Herrn Cantor Thomas zu einem der besten gediehen und des Beifalls aller Fremden von jeher gewürdigt worden ist. Hierbei darf ich des großen Konzerts nicht vergessen, welches aller vierzehn Tage auf einem großen, zweckmäßig dazu eingerichteten Saale des Rathhauses gegeben wird und wo man die größten Stücke meisterhaft von einem stark besetzten Orchester aufführen hört. Ferner verdient hier das, von dem ehemaligen Diakonus, jetzigen Superintendent in Gera, Hrn. M. Hahn gestiftete Bürgermuseum einer[91] schuldigen Erwähnung. Für einem geringen Beitrag können alle Bürger, die ihren Geist bilden und ihren Verstand aufklären wollen, Antheil an Vorlesungen über Naturgeschichte, Veredlung und Bildung der Künste und Professionen, Menschengröße und Menschenschwäche, kurz über alles Nützliche, nehmen. Das Museum besitzt eine schöne Bibliothek und Naturaliensammlung, Modelle u. dergl. und ist weit und breit her beschenkt worden.45 Freilich findet das Gute immer Widerstand und der verdienstvolle Herr M. Hahn mußte manche Kränkung erfahren. – –
In Schneeberg überhaupt ist es sehr lebhaft, es ist an und für sich sehr volkreich und überdieß liegt immer eine beträchtliche Garnison daselbst; sowohl der Schnitt- als auch der Materialhandel ist stark, am stärksten aber wohl ist der Spitzenhandel; denn alle Spitzen, welche in der umliegenden Gegend Meilenweit gefertigt werden, werden in Schneeberg von den vorzüglichsten Handlungshäusern aufgekauft und nach Leipzig, Frankfurt, Hamburg u. s. w. verführt. Wie viel hundert Menschen ihr Brod dadurch haben, ist bekannt. – Auch giebt es in Schneeberg eine Buchhandlung und zwei Buchdruckereien, welche viel für auswärtige Buchhandlungen drucken.
Was übrigens den Bergbau betrifft, so ist es meist Kobalt, was man findet und finden will; man lese darüber in Merkels Erdbeschr. von Sachsen. –
Auf dem Wege von Zschorlau hat man unstreitig den schönsten Anblick von Schneeberg und der umliegenden Gegend. Zur Linken neben sich erstlich breitet sich eine mit fruchtbaren Feldern und Aeckern bedeckte Thalebene aus, durch deren Mitte hinab sie sich bis an den erwähnten Grund Neustädtel zieht. An dem obersten Ende sieht man die Kirche mit ihrem spitzigen Thurme, neben welcher der Todtenacker mit seiner weißen Mauer herauf blinkt. Auf dem hinter Neustädtel nach Mittag zu, sich herum beugenden Gebirge sieht man mehrere Zechen, worunter sich vorzüglich die thurmförmigen Göpelgebäude auffallend auszeichnen. Weiter hinten bricht sich dieses Gebirge und bildet so mit dem gegenüber steil aufragenden einen Thaleingang, woraus ein großer Teich daher schimmert; hier geht der Weg nach dem Dorfe Lindenau. Die Höhe des gegenüber liegenden Gebirges bedeckt ein großer Wald, welcher in der dasigen Gegend vorzugsweise der Forst genannt wird. Dieses Gebirge dehnt sich nun seitwärts Neustädtel in einem kleinen Bogen nach Schneeberg zu, wo es sich dann nach Griesbach lenkt. Bei Neustädtel nimmt sich die Sommerwohnung des Hrn. Kammerherrn und Oberforstmeisters von Lindenau sehr schön aus nebst dem umgebenden Garten;[93] aber vorzüglich schön präsentirt sich bei Schneeberg der Richter'sche Garten, welcher in der ganzen Gegend berühmt ist und von dem verstorbenen Kaufmann Richter in Schneeberg in der theuern Zeit auf dieser Bergseite angelegt und eine Menge armer Menschen, welche daran arbeiteten, dem Hungertode entrissen wurde. Gesegnet sei das Andenken dieses wohlthätigen Mannes! – Nun richtet man seine Blicke auf Schneeberg, wie sich die Kirche so majestätisch erhebt, wie der schöne Thurm des Rathhauses so frei über die Häuser aufsteigt und die schiefernen Dächer so silbern daher schimmern, wie statt einer Mauer die schönsten Obstgärten die Stadt umzingeln. Vorzüglich fällt aber das Scheider'sche Haus, ein wahres Palais, so wie das große Malzhaus und das Bergmagazin-Gebäude lebhaft in die Augen. Ueberall fast, wohin man blickt, sieht man Häuser und Menschen.
Hinter Schneeberg, gegen Abend zu, sieht man das hart vor der Stadt ansteigende Dorf Griesbach mit seinen Fluren, Gärten und Bäumen; auf dem höchsten Puncte liegt die Kirche, hinter welcher sich weiterhin ein dunkler Fichtenwald herumzieht. Daneben dehnt sich der Keilberg sanft herab, man erblickt die Lindenallee bei dem Schießhause, das romantische Gerichtswäldchen und das tiefer liegende Hammerholz, einen angenehmen Wald; weiter vorn den Wolfsberg, welcher sich gegen Schlema hinab dehnt, dessen obersten Theil, nämlich einige[94] Häuser von Ober-Schlema, man hier auch erblickt. Doch über Alles dieses werde ich mich noch weiter verbreiten. –
Der Standpunct selbst, von wo aus man diese Aussicht hat, ist auf der Zschorlauer Höhe, nämlich auf dem Gebirge, welches zwischen Schneeberg und Zschorlau sich erhebt. Weiter vorn, der Stadt gegenüber, wird dieses Gebirge weit höher und steiler, ist von vermischter Waldung beschattet und wird der Kleesberg genannt; auf dem höchsten Gipfel dieses Kleesberges ragen bei einem Felsen zwei hohe, alte Tannen auf, daher nennt man den Berg oft auch den Zweitannenberg. Von ihm weiter unten ein mehreres. –
So angenehm, so herrlich ist hier der Anblick dieser Gegend, so abwechselnd und mannichfaltig liegen hier die Gegenstände vor unsern Augen, liebe Leser! Aber sehr angenehm ist der Anblick von Schneeberg auch, wenn man in Schlema, also auf der Morgenseite sich befindet. Am Ausgange des schönen Thales, worin Schlema liegt, hebt sich der Schneeberg hoch empor und auf seinem Scheitel breitet sich die Stadt in der Länge aus; sehr erhaben ist hier wiederum der Anblick der hohen Kirche, welche man von hier aus sehr weit wahrnehmen kann.
Auf dem Schneeberge selbst hat man die vortrefflichsten Aussichten. Gegen Mittag hin[95] sieht man in der sanften Ebene des Thales Neustädtel hingegossen, hinter welchem das Gebirge46 mit seinen Zechen aufsteigt; allerlei Wege schlängeln sich durch die Gefilde und das bebuschte Gebirge bei der Bartholomäi-Schenke fällt sehr angenehm in die Augen. Vor sich sieht man den sogenannten Grund, worin die größte Lebhaftigkeit herrscht; Halden flimmern zwischen den Häusern und Feldern und hie und da sieht man an- oder ausfahrende Bergleute.
Geht man gegen Morgen zu, so hat man den weitansteigenden Kleesberg gegenüber und vor sich ein tiefes, schönes Thal, woraus das Getöse des Wassers und der Pochwerke dringt. Und richtet man seinen Weg endlich gerade nach Morgen hin, so wird man durch den Anblick des herrlichen Thals, wo sich Schlema hinab dehnt, und des Dorfes selbst überrascht. Rechts am Eingange des Thales schmückt eine gemischte Waldung die obere Gebirgsseite, an welcher hie und da Häuser und Bauerngüther liegen; weiter hin wird das Gebirge flacher und fruchtbare Felder breiten sich aus, an deren unterm Theile der von Gebüschen umgrünte Floßgraben sich daher schlängelt. Links am Eingange zieht sich der Wolfsberg eine Strecke hinab und bricht sich dann zurück, wodurch mit der gegenüber aufragenden Bergseite wiederum ein ganz kleines Thal sich bildet; Felsen und Gebüsche nimmt man auf[96] seiner vordern Seite wahr. Dann beim Ausgange des erwähnten kleinen Thales zieht sich um eine hervorstehende Gebirgstirne fort, welche sehr steil und mit Felsen bedeckt ist, zwischen denen einzelne Birken und Fichten aufragen. Ueberhaupt hat diese Gebirgstirne, wie ich sie nannte, ungemein viel Anziehendes und Romantisches; mehrere Häuser liegen von allerlei Bäumen umschattet an ihrem Fuße hart an, und ernste Felsen heben sich dahinter mahlerisch auf. Durch die Mitte dieses Thales, dessen Schönheiten alle man nicht zu schildern vermag, breitet sich Schlema hinab; man sieht die Kirche und die dahinter liegenden Blaufarbenwerk-Gebäude, woraus weiße Rauchsäulen ruhig emporsteigen, und hinter Allen diesen hebt sich am Ende eine mit dunkler Waldung bedeckte Gebirgwand auf, wodurch der Anblick des Ganzen viel an seinem Abstechenden und Abwechselnden gewinnt. Es ist eine herrliche, unvergleichliche Aussicht! – Und so ist die ganze Gegend um Schneeberg eine der schönsten, die man finden kann; ich übertreibe nichts, wer aufmerksam und genau die Gegend durchwandert hat, wird mir gewiß recht geben. Denn es ist nicht genug, flüchtig seinen Blick auf solche Gegenstände zu richten, man muß auch zugleich auf die Harmonie, den Contrast und die mannichfaltigen Abwechselungen selbst Rücksicht nehmen. – Doch wir wollen uns jetzt mit der Betrachtung einzelner Gegenstände einlassen.
Hohe und ausgezeichnete Gegenstände fallen natürlich zuerst und vorzüglich in die Augen; dieß ist nun in der Gegend um Schneeberg mit dem hohen, von zwei alten, großen Tannen ausgezeichneten Kleesberg auch der Fall. Daher wollen wir ihn ersteigen und uns an der weiten vortrefflichen Aussicht laben. Du aber, der du kein Gebirger und also das Bergsteigen nicht gewohnt bist, sprich deinen Füssen Muth ein und verwahre dich mit einem langen und zollstarken Geduldsfaden; denn du wirst das Steigen ziemlich beschwerlich finden! –
Der nächste Weg von der Stadt aus führt den Bathsemberg hinab; es ist dieses der zwischen Morgen und Mittag liegende Theil des Schneeberges, an dessen Fuße eine Mühle, Bathsem-Mühle genannt, liegt, wovon der Berg diesen Namen erhielt. Zur Rechten des Weges hinab zieht sich ein hoher lebendiger Zaun, welcher zum Theil einen Grasgarten einschließt, worin man einige kleine Ruinen und einen verfallenen Thurm findet. Ueberhaupt hat man von hier eine sehr angenehme Aussicht in das vorliegende, enge Thal hinab, welches von einem Bache und einem Wege parallel durchschnitten wird; man sieht unter sich an der Seite des Berges hohe, klippenvolle Felsen, wo man von Angst und Schwindel[98] überfallen wird, wenn man darauf steht und hinunter blickt. Gegenüber ragt der auf einer Seite mit Feldern, auf der andern mit Waldung bedeckte hohe Kleesberg auf, an dessen unterm Theile zwischen Bäumen versteckt ein Guth liegt, das Bergmeisterguth47 genannt. Am obern Ausgange dieses Thales sieht man die letzten Häuser des Grundes, Neustädtel und das sogenannte Gebirge; an dem untern erblickt man einen Theil von Oberschlema und die darum liegenden waldigen und waldlosen Berge. In diesem Thale hatte ich das Glück, zum erstenmal den würdigen, verdienstvollen Herder aus Weimar anzutreffen, der durch den Tod nachher der Welt zu früh entrissen wurde.
Doch wir gehen nun wieder auf den Weg zurück und den Berg vollends hinab. Bei der Mühle kommen wir über den Bach und richten unsere Schritte auf den, am Ende des Waldes schräg ansteigenden Weg, welcher zu dem erwähnten Bergmeisterguthe führt. Buchen, Fichten und Kiefern in schöner Mischung, mit einzelnen bemooßten Felsenblöcken, vom Gesange der Vögel belebt, ergötzen zur Linken unser Auge; aber hinter uns wollen wir durchaus nicht sehen, bis wir uns auf der Spitze des Berges befinden. Und so sind wir jetzt an das Guth gekommen, welches wir aber rechts liegen und am Saume[99] des Waldes auf dem grasigen Boden empor steigen. Hier sehen wir, so wie auch ein wenig weiter oben, einen Pfad durch den Wald, wo es sich äußerst angenehm wandelt; auch findet man hier am Saume der Waldung eine kühle Nische mit Rasensitzen, welche der Herr Bergcommissionsrath von Herder, als er sich noch als Bergassessor in Schneeberg befand, anlegen ließ, und Herders Ruhe genannt wird. Immer weiter steigen wir empor am Saume des Waldes und blicken hinein in das grüne Dunkel, wo hie und da graue Felsen, von Buchen grün umdüstert, aufragen. Jetzt zieht sich das Holz ein wenig quer vor und wird dünner; wir kommen hier an einen kleinen, schieferartigen Fels, an dessen Fuße eine kühle Quelle hervor rinnt, welches auf dieser Höhe des Berges sehr überrascht, denn wir haben schon eine schöne Strecke zurück gelegt. Neben uns, rechts auf der übrigen Seite des Gebirges dehnen sich Felder und Fluren herab, auf welchen der Schäfer mit seiner Heerde herumzieht.
Nun haben wir den Wald hinter uns und nicht mehr zur Seite, und vor uns sehen wir den übrigen, allmähliger aber noch weit genug ansteigenden Theil des Berges, auf dessen Spitze die zwei hohen Tannen aufragen. Der Boden ist nun nicht mehr gleich und begraßt, sondern mit kleinen Hügeln, Sträuchern und Gestrippen bedeckt, daß man dadurch gänzlich ermüdet wird, ehe man zum Ziele kommt. Die Waldung zieht[100] sich unten in gerader Linie fort und vereinigt sich mit dem übrigen Forste, welcher dieses Gebirge auf der Morgenseite bedeckt. –
Jetzt endlich nach langem, ermüdenden Steigen sind wir oben; wir haben den kleinen Fels erreicht, unfern der beiden ernsten Tannen, wir ersteigen den Fels und sehen umher und hinab, und staunen und fühlen eine heilige Wollust, können keine Worte finden und spähen mit trunkenen Blicken umher. Welche Ueberraschung, welche Mischungen und Abwechselungen! – Schneeberg, wo wir uns erst so hoch dünkten und manche Aussichten hatten, liegt da unten vor unsern Füssen in einem Thale jetzt, rund und kesselförmig von Gebirgen eingeschlossen; silbern blitzen im Glanze der Abendsonne die Schieferdächer, kleiner ragen Thurm und Kirche über die Stadt und aus den Schornsteinen steigen hier und da weiße Rauchsäulen empor. Gärten schlingen sich um den Berg, Wege und Bäche durchschneiden sich und aus dem Grün der Bäume schimmern die rothen Dächer der Richterschen Gartengebäude daher. Ausgegossen zwischen Fluren und Aecker durch die Fläche des Thales liegt Neustädtel; Halden und Gebüsche bedecken einzeln die Gebirgsseiten und hinter dem Teiche dort, aus dem Eingange eines neuen Thales, blickt Lindenau daher. Waldige Berge erheben sich dahinter und bieten neue Aussichten, nach dem Voigtlande zu, dar. Sanft dehnt sich Griesbach herab mit seinen Fluren, Gärten und Teichen, und[101] weiter unten flimmert der Spiegel des Herrnteiches;48 höher herab dehnt sich der Keilberg mit Aeckern, Feldern und Wegen, und oben blinken durch die Lücken der Waldung ebenfalls mehrere Teiche herüber. Das Schießhaus mit seinen dichten Hopfengärten und der schattigen Lindenallee, das isolirte Gerichtswäldchen, die ganze mit Fluren bedeckte Fläche, die mit allerlei Wäldern und Felsen belebten Gebirge und kleine und größere Thäler stellen sich dem entzückten Auge auf die herrlichste Weise dar. – Mehr gegen Morgen sehen wir ganz Schlema durch das romantische Thal ausgebreitet, ein herrlicher Anblick! Dahinter stellen sich unsern Blicken alle die fernen Dörfer und Städte dar, welche man nur durch Hülfe eines Fernrohrs deutlicher erkennen kann. Und endlich gegen Morgen zu die unübersehbare Reihe theils kahler, theils waldiger, theils mit Häusern bedeckter Berge, die sich in den fernsten Horizont verlieren; vorzüglich nimmt sich das auf einer Berghöhe ausgegossene Bernsbach sehr schön aus, dahinter blickt im Nebelgrau der grabförmige Pöhlberg bei Annaberg majestätisch herüber. Man sieht Bockau und die ganze Gegend, dann näher vor sich Zschorlau und endlich gegen Mittag ragt über alle Gebirge hoch der Auersberg, welchen man überhaupt bei Schneeberg sehr gut wahrnehmen kann. Es läßt sich wahrhaftig nicht Alles mit der Feder aufzeichnen und schildern, was und wie man es sieht; man könnte wieder, so wie von den Aussichten[102] auf dem Auersberge, ein besonderes Buch schreiben. Man sieht eine Strecke des Voigtlandes, einen großen Theil des Schönburgischen Landes und des übrigen obern Gebirges, nebst den böhmischen Gebirgen. –
Hier saß ich oft auf diesem Felsensitze, wenn die Sonne sank und durch einzelne schwarze Fichten mit dem Golde ihrer Strahlen mich scheidend beleuchtete, wenn der Abendglocken Feierschall aus den Thälern empor schwebte und Hesperus am Azur funkelte, – hier saß ich oft einsam und starrte mit trunkenen Blicken umher, hatte so viel zu hoffen und noch mehr zu wünschen; doch die Zeit lößte, was so fest gebunden schien, – die Ewigkeit der Menschen währt kaum Jahre lang. –
Aber es ist nicht genug, der entzückenden Aussicht zu erwähnen, welche man auf dem Kleesberge hat; auch den Berg selbst wollen wir untersuchen und es wird uns nicht an Ueberraschung und Genuß mangeln.
Gegen Schneeberg hin bildet sich weiter unten ein freier, von Wald auf drei Seiten umgebener, Platz, welchen kleine Gesträuche bedecken und wo sich eine alte, weitästige Buche erhebt, in deren Rinde mehrere Namens-Buchstaben eingeschnitten sind. Es ist sehr angenehm hier und vorzüglich in dem Dunkel des Tannenwaldes, welcher sich gegen Morgen zu schräg am Gebirge hinab dehnt; hier fand ich mehrere von[103] Steinen zusammen gebaute Sitze, mit Moose bedeckt, vermuthlich Asyle geheimer Liebe.
Hinter den zwei Tannen auf dem Scheitel des Berges, wo es jäh hinab geht, sieht man mehrere große, von Gebüschen beschattete Felsen, davon einer vorzüglich der Pandurenfels genannt wird. Im siebenjährigen Kriege nämlich lagen hier eine Zeit lang Panduren, welche die Stadt beängstigten. Auch erzählt der gemeine Mann, daß es in dieser Gegend, hauptsächlich bei den zwei Tannen nicht richtig wäre, daß man in der Mitternachtsstunde bisweilen ein Feuer habe brennen sehen, daß ein großer Schatz daselbst vergraben liege, welchen ein fürchterlicher Unhold bewache u. d. g. m. In den ältern Zeiten sollen Personen auf diesem Berge abhanden gekommen seyn, vorzüglich erzählt man von einem gewissen Beuthner, daß derselbe eines Tages auf den Kleesberg spatzieren gegangen, aber nicht wieder gekommen sei; die ganze Gegend sei ausgekundschaftet und untersucht, und in den alten Schächten gegraben worden, dennoch sei keine Spur von ihm zu entdecken gewesen. Die Geschichte ist wahr, kann aber auch aus den natürlichsten Gründen erklärt werden; denn jetzt noch giebt es an dem Berge herum viele tiefe Löcher, deren Rand sehr locker ist: – wie bald konnte nicht zu jener Zeit der erwähnte Beuthner, welcher ein Bergmann war, an ein solches Loch gekommen, mit dem lockern Rande hinab gestürzt und so verschüttet worden seyn?! –
Hinter dem Pandurenfels zieht sich ein Fahrweg durch den Wald, welcher nach Aue führt. Hier sind viele Sandgruben, welches in dem Grün der Gebüsche auf eine besondere Art auffällt; denn diese Sandgruben haben mehrere Eingänge und inwendig niedrige Pfeiler von dergleichen Sandsteinen, daß sie den Leichengrotten der Vorzeit nicht unähnlich sind.
Nun gehe man weiter oben über den Weg und in das dünne Gebüsch; man steigt über Felsenblöcke ein wenig hinab und plötzlich sieht man sich auf der schmalen Spitze eines hohen, schroffen und klippenvollen Felsen, vor welchem sich ein dunkles, tiefes Thal von hohen, dichten Tannen bedeckt, hinab dehnt. Weit hinunter sieht man die abgerollten, mit Moose sparsam bedeckten, Felsenmassen aus feuchten Gestrippen blinken; eine grause, bange Stille herrscht, die nur das monotonische Gemurmel des fernern Waldbachs unterbricht, – kein Vogel singt, kein Käfer summt hier, nur bläuliche Nattern rascheln durch das dürre Laub zwischen den tiefen Ritzen, nur der Fuchs und der Habicht verzehren hier in Ruhe ihren Raub und eine schauerliche Kälte herrscht ewig um dieses Felsengethürm. – Banger Schauer bebt durch die Glieder, starrende Angst hemmt auf Secunden des Blutes Lauf, wenn man sich so plötzlich auf der Spitze dieses Felsen und den schrecklichen Abgrund vor sich sieht; unwillkührlich beugt sich der Fuß zurück und die Hand greift gewaltsam nach den überhangenden[105] Aesten der nahen Tanne. So starrt man hinab in das Thal des Todes und fühlt sich schon bei dem Gedanken; »wenn ich jetzt ausglitte!« – halb todt, sieht sich mit zerschmettertem Haupte unten zwischen den spitzigen Blöcken im Geiste schon liegen, wie das blutige Hirn umher gespritzt an den bemoosten Klippen klebt und eine blutige Bahn den schrecklichen Sturz bezeichnet.
Nun wollen wir zur Seite hinab steigen, aber, ob es hier herab gleich keine besondere Gefahr giebt, so nimm dich dennoch in Acht, da die Steine locker sind und die dürren Tannennadeln49 den Boden sehr schlüpfrig machen. Unten klimmen wir über die zerstreuten Felsenblöcke und haben nun den hohen, zu beiden Seiten von alten Tannen und Buchen umgebenen, Fels vor uns, an welchem wir mehrere von der Natur gebildete, bequeme Sitze wahrnehmen.
Majestätisch und ernst hebt das schwärzliche Steingethürm an dem steilen Gebirge sich auf und ladet zu ernsten und heiligen Betrachtungen. Ueberhaupt, wenn man den Ossian recht mit Genuß lesen will, muß man ihn auf Wanderungen[106] durch das obere Gebirge lesen. Da sieht man Kolma auf Felsen und Bergen nach ihrem Salgar rufen, und Fingal die Krieger sammeln, und Oskar an Kormalo den an Argon und Ruro begangenen Meuchelmord rächen. O! hier zwischen Bergen und Tannenwäldern, unfern des rauschenden Waldstroms auf einem Felsen sitzend Ossians Gedichte zu lesen, welch ein erhabener Genuß! –
Wenn man sich ganz unten im Grunde des Thales durch Fichtengebüsche gedrängt und über einen kleinen Bach gesetzt hat, kommt man plötzlich in eine kleine, begraßte Fläche, rund herum von waldigen Bergen eingeschlossen, in deren Hintergrunde eine Mühle, die Heßmühle genannt, liegt. Auch hier ist es sehr romantisch und sonderbar nimmt sich das Geräusche der Mühle und des Wassers aus. Von hier durch die minder dichte Waldung des Thales kommt man endlich nach Zschorlau,50 welches zwischen zwei sanft abhängenden Gebirgen ausgebreitet liegt und unter die vorzüglichen Dörfer des obern Erzgebirges gezählt wird.
Wenn man an das Schießhaus kommt, sieht man gegen Nord-Ost auf einer sanften, von Feldern[107] eingeschlossenen, Anhöhe ein kleines Wäldchen, welches das Gerichtswäldchen heißt; ehedem war nämlich daneben der Gerichtsplatz und noch 1799. stand eine Radsäule da. Jetzt aber ist alles urbar gemacht, und man sollte überhaupt überall die Brandmale der Menschheit demoliren und alle Gerichtsplätze urbar machen, damit aus dem Boden, der Verbrecher-Blut trank, für die Menschheit wenigstens noch einiger Segen keime. Und soll ja ein Verbrecher hingerichtet werden, so wird sich gewiß noch ein Plätzchen finden. Aber daß man besondere, eingerichtete Plätze und schön gemauerte Galgen noch hat und darauf hält, dieß läßt schließen, daß man von den Menschen, also von sich selbst, Alles fürchtet und nichts hofft. So bauen sich die Menschen ihre eigenen Schandmäler! –
Doch von dieser kleinen Ausschweifung kommen wir wieder zurück und auf den Weg, welchen wir nach dem Gerichtswäldchen hin betreten haben, nämlich die Lindenallee vom Schießhause an. Es ist Schade, daß diese Allee so ungleich und bisweilen holpricht ist, daß sie nicht besser conservirt wird; sonst hat sie manches Angenehme. Zu Anfange hat man rechts die Hopfenplantagen, um welche sich der verstorbene Kaufmann Etler so verdient gemacht hat und wodurch dem Brauwesen in Schneeberg kein geringer Vortheil erwachsen ist. Weiter unten geht es sich, an einem schön gezogenen Fichtenzaune vorbei, äußerst angenehm durch den duftenden Hopfengarten.[108] Ueberhaupt ist die Partie um das Schießhaus nicht übel und könnte bei einer gewählteren Anpflanzung der Lauben und mehrerer verschiedenartiger Bäume recht schön genannt werden.
Jetzt sind wir da, wo sich die Allee verliert und, links nach dem Keilberge zu, ein Fahrweg sich abbeugt, welcher über Langenbach nach Wildenfels hinführt. Wir aber gehen immer den geraden Weg fort, bis wir auf der Höhe sind und eine, hinten von Waldung eingeschlossene, mit Wiesen und Gebüschen zum Theil geschmückte, seichte Thalfläche vor uns haben. Rechts nicht weit von der Straße erhebt sich ein kleiner, aber zum Sitzen und Umsehen bequemer, Fels; auf diesen zu gehen wir, ersteigen ihn und blicken uns um und haben eine neue Ansicht der Gegend; obgleich zwar die Aussicht nicht weit ist, so ist sie doch immer schön genug und abwechselnd.
Vor uns gegen Mittag sehen wir Schneeberg ausgebreitet, hinter welchem der Rücken des nahen Gebirges hervorblickt und weiter hinten am Horizonte ragt aus der Mitte waldiger Berge in ungewissem Grünblau der Auersberg auf. Rechts hinter dem ausgebreiteten Keilberge blinkt die Griesbächer Kirche von der waldbekränzten Höhe herüber, hinter uns breitet sich die schon erwähnte Fläche bis an den aufsteigenden Wald hinab. Links aber nicht weit von uns sehen wir das Gerichtswäldchen,[109] hinter welchem in größerer Entfernung der auf einer Seite waldige Kleesberg mit seinen zwei Tannen sich erhebt und dann als ein, mit Feldern und Häusern sich ausbildendes, minder steiles Gebirge sich hinabzieht und Schlema auf der Morgenseite einschließt. Gegen Morgen zu liegt das Hammerholz und hinter demselben dehnen sich allerlei Berge dahin, auf und an welchen man theils Wälder und Fluren, theils einzelne Häuser und Dörfer wahrnimmt, unter welchen letztern sich wiederum das hohe Bernsbach ausgezeichnet darstellt. Im Ganzen enthält diese Aussicht hier genug Angenehmes und Abwechselndes. Bei dem Felsen, auf welchem wir stehen, finden sich mehrere Vertiefungen und Halden ähnliche Hügel, woraus man sieht, daß hier in den ältern Zeiten eine Zeche gewesen seyn muß.
Nun steigen wir wieder herab und gehen auf einem sparsam betretenen Fußsteige auf das nahe Gerichtswäldchen zu, welches, wenn es auch kalten und gefühllosen Modeseelen gleichgültig scheinen mag, dennoch für den Freund der Natur viel Anziehendes hat. –
Es dehnt sich dieses Wäldchen auf dem höchsten Puncte der Anhöhe gegen Morgen hinab und ist rings herum von Aeckern und Feldern umgeben. Oben ist der Boden felsig und man hat eine angenehme Aussicht daselbst: der übrige Boden ist zum Theil begraßt und mit Blumen[110] und Beersträuchern bewachsen. Die Bäume auf der obern Seite sind hohe Kiefern und alte Buchen, in welchen letztern man viele Namen und Buchstaben eingeschnitten findet; auf der untern Seite breitet sich eine Anpflanzung junger Kiefern aus und fast in der Mitte erblickt man schattige Buchengebüsche, worin man Lauben mit Moosbänken antrifft. Dieses Gerichtswäldchen hat sehr viel Romantisches, und Liebende haben gewiß oft hier gewandelt und geweilt, wenigstens lassen dieses manche eingeschnittene Namensbuchstaben und die Beschaffenheit dieses Haines vermuthen. Uebrigens hat man eine herrliche, freie Aussicht hier und daher einen doppelten Genuß.
Nun gehen wir von da den breiten, begraßten Weg hinab bis an das vorliegende Guth und dann hinter dasselbe an dem lebendigen Zaune fort gegen das Hammerholz zu. Dieses Hammerholz ist ein in ein kleines Thal hinab- und auf der andern, hohen Seite wieder hinauf sich ziehender, Wald, von Fichten, Kiefern, Tannen und Buchen. Doch wir sind jetzt am Ende des erwähnten Zaunes, wo der Weg bergab geht und bald stehen wir vor dem Walde. –
Man betrete den Weg, welcher durch Fichten gerade hinab führt. Zur rechten Seite zieht sich parallel mit dem Wege eine kleine, grüne, von Gewässern durchschnittene und von den, auf beiden Seiten ragenden Bäumen, umdunkelte Schlucht hinab, an deren Ausgang links ein klarer[111] frischer Quell zwischen den Gesträuchern hervor quillt und die Wiese tränkt, auf welche wir jetzt gekommen sind. Es ist ein überraschender Anblick, wenn man den kurzen Weg durch den Wald herab gegangen ist und nun auf einmal auf einer langen, beblumten Wiese sich sieht, welche ein von Hasel- und Erlensträuchern beschatteter Bach murmelnd durchfließt. Links oben ist diese Wiese in einem Oval von Waldung umgeben, hinter welcher sich ein röthlicher, steiler Berg aufhebt, dessen Scheitel ein dunkler Forst krönt; aus dem dunklen Grün der fernen Gebüsche schlängelt sich der Bach herab und belebt durch sein sanftes Murmeln, so wie die aus dem Walde tönenden Gesänge der Vögel, das einsame, freundliche Thal. Uns gegenüber hat sich die Waldung getheilt; eine grünende Anhöhe erhebt sich mahlerisch, auf welcher oben zwei schlanke, hohe Tannen ein schönes Thor bilden. Wo diese Anhöhe beginnt, vor uns rechts, ragt ein hoher bemooßter Fels, von hohen Fichten und Tannen zur Seite umgeben und auch auf seiner Höhe, (denn er ist mit dem dahinter steil aufsteigenden Gebirge verbunden,) breitet sich ein dunkler Wald aus und zieht sich so durch das Thal hinab. Rechts hinunter sehen wir den Ausgang des Thales und der Wiese, wo sich uns ein Theil von Schlema und das drüben mit Güthern und Fluren geschmückte Gebirge darstellt, auf dessen Rücken sich ein schwarzer Wald ausbreitet. O! gefühlvoller Leser, könntest du doch nur selbst dieses erfreulichen Anblicks genießen, was würdest du[112] empfinden, welche Wonne würde deine Brust durchzittern! Die Sprache ist dazu zu arm! –
Nun gehen wir über den Bach und am Saume des Waldes linker Hand die Anhöhe hinan. Auf dieser Seite finden wir oben wiederum, im Gebüschen versteckt, eine kühle Quelle; jetzt wenden wir uns rechts und zwischen zwei vorragenden Waldspitzen, vor welchen die erwähnten beiden Tannen ein Thor bilden, und kommen nun erst auf den breiten Rücken der Anhöhe, wo wir wieder einen angenehmen Anblick haben. Wir sehen hier nämlich einen großen Theil des Schönburgischen Landes, einzelne Häuser und Dörfer, Fluren und Wälder, Berge und Thäler; vorzüglich nimmt sich das auf einer Höhe liegende Lösnitzer Schießhaus sehr schön aus. Wenn wir uns nach Mittag umkehren, sehen wir Schneeberg und einen Theil seiner Gegend, den Kleesberg und gegen Abend hin den hochliegenden Gerichtswald; vor uns breitet sich das Hammerholz in dem Thale aus und der ganze Anblick, den man durch das Thor der Waldung hat, ist ein lebendiges Panorama der Natur.
Wir treten den Rückweg an, wenden uns aber links auf die von allerlei jungen Buchen und Buchengebüschen beschattete Fläche des Berges, welchen wir zuerst im Thale uns gegenüber hatten und aus dessen waldigem Fuße jener Fels ragt.
Hier durch diese Buchengänge wandelt man äußerst angenehm; es scheint hier beinahe, als hätte die Kunst diese schlanken Buchen so angepflanzt und diese Gänge gebildet, lächelte nicht aus Allem die schöpferische Kraft und unnachahmliche Einfachheit der Natur hervor. Von sich selbst beugen und verweben sich junge Buchen zu schattigen Lauben und unverhofft ladet ein bemooßter Stein zur Ruhe; Vögel singen zärtliche Melodien aus versteckenden Grün und Schmetterlinge spielen über nickende Halme. Hier sieht man die Liebe verschlungen weilen, hier sie Blumen pflücken und Kränze in den Tempellauben aufhängen, zur Erinnerung einstiger Seligkeiten. Und wann der Mond sein Zauberlicht über die Gefilde gießt und die Schöpfung ruht, und sehnsuchtsvoll die Brust sich hebt – – Mir fielen Hölty's Worte ein:
Seitwärts drüben führt durch den Wald ein Weg hinunter nach Schlema, wo man beim Ausgange des Waldes auf dem Berge plötzlich durch[114] den schönen Anblick des durch das Thal ausgebreiteten Dorfes überrascht wird. Der Weg durch Schlema nach der Stadt ist dann sehr angenehm und durch manche Abwechselungen unterhaltend.
Der Weg von Schneeberg bis Willbach, einem schönen Dorfe, ungefähr eine starke Stunde von der Stadt gegen Mitternacht zu, hat allerlei Angenehmes. Man geht nämlich bei dem Schießhause vorbei jener Anhöhe zu, die wir schon betraten, wo der kleine Fels ragt und nicht weit davon das Gerichtswäldchen liegt; ein breiter Fahrweg führt uns ziemlich eben dann eine Strecke bis an die Gebüsche des Waldes fort. Hier wenden wir uns rechts auf den Pfad, welcher sich drüben am Saume des Waldes als breiterer Weg die Anhöhe hinan zieht. Das Gerichtswäldchen, das Hammerholz und die ganze Gegend gewinnt eine neue, auffallende Ansicht; vorzüglich schön nimmt sich der Anblick des, zwischen dem Fels und dem Gerichtswäldchen, hinter der Höhe hervor blinkenden Kirchthurms, so wie des daneben hoch ragenden, fast überall sichtbaren Kleesberges aus.
So gehen wir weiter und kommen auf die Willbächer Felder, welche sich freundlich über das breite Gebirge ausbreiten. Hier haben wir nun wieder eine herrliche Aussicht; Schlösser sehen wir auf Bergen ragen, worunter vorzüglich das Hartensteiner Schloß mit seinem umgebenden Buchenhain sich mahlerisch auszeichnet, – die Berge werden kleiner, wenige Wälder sehen wir, aber desto mehr fruchtbare Gefilde, und wo wir Wälder erblicken, bestehen sie meist aus Laubholz. So breitet sich an einem Gebirge der große Buchenwald hinab, in welchem man die Prinzenhöhle antrifft. Kurz, hier sehen wir das Fruchtbare, Gefällige und Freundliche des Erzgebirges beginnen; es fängt ein ganz neuer Styl der Gegend an, das heißt aber, jenseits der Mulde, welche hinter Willbach in dem tiefen Thale herab nach dem Schlosse Stein zu fließt. So finden wir in der Gegend um Willbach viel Interessantes. –
Um nun die Eisenburg zu finden, gehen wir nach der Kirche zu, also an das Ende des in einem seichten Thale herab sich ziehenden Dorfes, wo sich dann eine wilde Schlucht hinab dehnt und in den schwärzlichen Forst verliert. Willbach ist ein hübsches, schönes Dorf, wohin man aus Schneeberg vorzüglich zur Zeit, wenn die Kirschen reif sind, häufig wallfahrtet und auch außerdem hier eine Milch einnimmt. Was mir auffiel, weil ich es noch nie sah, war der Glockenstuhl; denn da kein Thurm auf der Kirche ist,[116] (er müßte vor Kurzem darauf gebaut worden seyn) hängen die Glocken in einem besondern Schuppen neben der Kirche. Aber mir fiel blos ein, daß eine Kirche, welche Glocken besitzt, wenigstens einen zweckmäßigen Platz dazu, einen Thurm haben sollte, – wär er auch klein oder ein quid pro quo. Der Characterstuhl kam mir vor, wie ein neuer Dichter oder Schriftsteller; seine Werke haben vielleicht einen reinen und schönen Klang, – aber er kann sie nicht hoch genug hängen, um die literärischen pias fraudes zu läuten, daß der sehnsüchtig ausgestreckte Klingelbeutel von der Neugierde der selten kommenden Eingepfarrten und Filialdörfler desto schwerer werde. – Bei dem großen Pfarrhause und der kleinen Kirche gehen wir jetzt vorbei und bald sehen wir uns im Freien. Vor uns dehnt sich ein dunkler Wald aus und ein dahin führender Weg zieht sich am Rande der erwähnten, wilden Schlucht eine Strecke fort; dann kommen wir auf einem alten, rasigen Fahrweg, welcher hin zur nahen Eisenburg führt. Ein Schauer überfällt einen, wenn man in das schweigende Dämmergrün des Waldes tritt und unfern zwischen den Tannen und Fichten die Ruine der Burg und den dicken, verfallenen Thurm ragen sieht.
Diese Eisenburg war vor alten Zeiten ein Raubschloß und soll durch einen unterirrdischen, tiefen Gang, welcher sogar unter der Mulde weggehen soll, mit dem Schlosse Stein in Verbindung gestanden haben. Man hat aber noch keine[117] Spuren dieses unterirrdischen Ganges entdecken können. Als der Kaiser Maximilian viele solcher Raubschlösser schleifen ließ, hatte auch die Eisenburg dieses Schicksal. Sie liegt auf einer Gebirgsecke an der Mulde, rings herum ist hoher Wald; aber man möchte fragen, ob dieser Wald auch sie in jenen alten Zeiten umgeben haben mag? – Ich glaube, nach der Beschaffenheit der Gegend und des Bodens, daß, wenn auch nicht dieser Wald sie umgeben hat, sie dennoch in einem dichten Walde versteckt gelegen habe, wie viel andre dieser Raubschlösser.
Man sieht noch den innern Hof, Pforten, Treppen und Hallen, so wie einen starken, nicht hohen Thurm, aber freilich zerstört und im Ruin. Aber diese Burg muß sehr fest gewesen seyn, welches man noch aus den traurigen Ueberresten wahrnehmen kann. Besondere Gefühle regen sich in der Brust, wenn man im trauernden Kreise dieser Ruine sich sieht, und wem Matthisons meisterhafte Elegie in den Ruinen einer alten Bergveste bekannt ist, erinnert sich hier gewiß lebhaft derselben. Doch, wenn es den Leser nicht belästigt, wage ich jetzt, ein Gedicht hier einzurücken, welches ich einst in den Ruinen der Eisenburg nieder schrieb.
Empfindungen in den Ruinen der Eisenburg.
Weiter oben durch Willbach findet man den Weg nach Stein. An den Feldern schließt sich[121] ein großer, dichter Wald, meistentheils aus Buchen bestehend, an, welcher der Steinische Wald in dasiger Gegend genannt wird und im Rufe der Spuckerei bei dem gemeinen Mann sonst stand und zum Theil noch steht. Man findet aber auch weit und breit keinen solchen Buchenwald; so viel ausgewachsnes Tannen- und hartes Holz, von solcher Menge und Stärke, giebt es wohl in Sachsen wenig. Es ist sehr kühl in diesem Walde, aber an einigen Stellen wiederum sehr schauerlich und heimlich. Man trifft ganze kleine Himbeerwälder darin an, deren Früchte von einem besondern stärkenden Geschmacke sind. Uebrigens aber ist es einsam, und wenn zwei Menschen einander begegnen, erschrecken sie gewiß anfänglich vor einander. An einigen Stellen soll sich zu gewissen Zeiten eine weiße, verschleierte Frau sehen lassen, welche ein großes Buch trägt und beständig in dem dürren Laube am Boden wühlt. – Sonst gab es auch viel Wild in diesem großen, dicken Walde, besonders Schweine, die sich sehr gut von der zahllosen Menge der Buchennüsse nähren konnten; jetzt aber hat sich dieß ganze Wild an die Tafeln der Großen verhandelt. Der Weg ist bei trockenem Wetter sehr gut, hingegen wenn es geregnet hat, ist fast kein Fortkommen, da der Boden lehmigt ist; vorzüglich wenn es bergab geht, kömmt man sehr übel an.
Aber übrigens ist es ein interessanter Spatziergang. Wenn man, wo sich der Weg bergab[122] zieht und zu beiden Seiten junge Buchengebüsche ihn beschatten, eine Strecke hinab gewandert ist, hat man plötzlich einen überraschenden Anblick. Links gegenüber nämlich dehnt sich ein großer, schwarzer Tannenwald herab, an welchem man, ohne irgend etwas anderes zu erblicken, den obern Theil eines mit Schiefer gedeckten Thurmes wahrnimmt; man staunt auf die Erscheinung, sieht aber, je tiefer man hinab wandert, den Thurm immer höher und nach und nach das Schloß Stein zauberisch hervor wachsen. Man beugt jetzt noch einige Schritte um einem großen Stein herum, stellt sich dann auf den hohen Rand des Weges und hat nun einen romantischen Anblick, den keine Feder zu schildern vermag. Sich gegenüber nämlich erblickt man den hohen, schwarzen Tannenforst, welcher sich weit durch das Thal hinab zieht und mit dem lichten Grün junger Buchen hier und da angenehm absticht; schräg rechts hin ragt das hohe Schloß mit seinen Gebäuden dicht an der daher fließenden Mulde auf und spiegelt mit seinen vielen Fenstern sich auf der ruhigen Fläche des Stromes, welcher durch die begraßte Ebene des Thales still in seinem Bette hinabwogt. Auf dem jenseitigen Ufer der Mulde zieht sich eine lange, hohe Lindenallee von dem Schlosse an hinab gegen das Ende des Thales, welches sich hinten in einem waldigen Halbrund zu endigen scheint und in sein Dunkel die silbern strahlende Mulde aufnimmt. Bei dem Schlosse macht die Mulde einen ziemlichen Bogen, denn auch das Thal bricht sich schnell von Süd-Ost nach West,[123] also fast ein rechter Winkel, daher stelle man sich den angenehmen Anblick des verfallenen, auf Felsenspitzen gebauten Schlosses vor, welches sich gerade an diesem Winkel der Mulde erhebt, daß man von demselben aus auf der einen Seite den kommenden, auf der andern den fortgehenden Fluß vor Augen hat! –
Hinter dem Schlosse, zwischen den beiden herab sich ziehenden Gebirgsseiten sieht man hinten aus einem Buchenhaine auf der Höhe des Berges das Schloß Hartenstein sich freundlich erheben, so wie auch gegenüber das Städtchen gleiches Namens an einem flachen Gebirge zwischen Fluren herab breitet. Im Ganzen ein herrlicher, äußerst romantischer Anblick! Dieses hat man auch gefunden und die Gegend um das Schloß Stein ist oft gezeichnet und in Kupfer gestochen worden; aber man hat nicht jedesmal die schönste Ansicht gewählt. Auf dem Schlosse Hartenstein fand ich in einem Saale ein Oelgemählde, wo die ganze Gegend um Stein und zwar von der schönsten Ansicht trefflich und meisterhaft vorgestellt und ganz natürlich abgebildet war; nach diesem Gemählde müssen Landschaftsmahler die Gegend copiren, wenn sie ganz interessant sich ausnehmen soll.
Doch wir gehen nun den Berg vollends hinab und in das Thal. Hier sehen wir in der Nähe des Schlosses einige Häuser, nämlich auf dem diesseitigen Ufer der Mulde und indem wir nach[124] der überbauten Brücke gehen, ruft man uns aus dem nahen Hause zu: »erst à Person zwei Pfennige Brückenzoll zu entrichten.« – Dieser Zoll kann nur denen überflüssig scheinen, welche das Wohlthätige einer Brücke nicht einzusehen vermögend sind.
Jetzt sind wir im Innern des Schlosses und zwar eigentlich noch vor dem Thore; aber die Seite, wo wir uns jetzt befinden, ist mit Ställen, Scheunen und Schuppen angebaut. Ueber dem Thore sieht man die starken Räder, über welche sonst die Ketten der Zugbrücke herab rollten; auch der Burggraben ist noch sichtbar, den wildes Gesträuch und Schutt füllt, unter welchen Nattern und Kröten nisten. Das übrige Aeußere des Schlosses ist ein Beweiß, daß es schon sehr alt sei; denn der Styl des Baues grenzt an das Gothische und aus den vielen und mannichfachen Fenstern erkennt man den kindischen Geschmack jener Zeiten, so wie man auch wahrnehmen kann, daß später manches dazu gebaut und verbessert worden sei. Aber der innere Hof des Schlosses erweckt Grauen und Furcht, wenn man um sich und über sich blickt, wie auf hochragenden Felsenspitzen man die Seitengebäude aufgeführt hat, welche dem augenblicklichen Einsturze drohen und mit Gestrippe und Sträuchern bewachsen sind. Vorzüglich der alte Thurm, welcher einst zur Warte gedient haben mag, füllt durch sein auffallendes Ansehen mit Schauergefühlen die Brust des Wanderers, der mit der nächsten Minute den Zusammensturz desselben fürchtet. Doch[125] wie die Alten mauerten, können die Neuern, ungeachtet ihrer gerühmten Maurerei, nicht mauern; je länger es steht, desto fester wird es. – z. B. die Häuser hinter den Mönchen in Bautzen.
In diesem Hofe selbst herrscht ein zweifelhaftes Dunkel, die hohen Wände der Gebäude, welche sich in einem Viereck mit einander verbinden, sehen schwarz und wie verräuchert aus. Unten herum erblickt man viele Thüren und Pforten, und vorzüglich durch die, welche dem Thorwege gegenüber sind, gelangt man in mehrere verfallne Hallen und Gemächer, deren ehemaliger Zweck mir öfters unerklärbar war; z. B. das niedrige, von einigen Pfeilern unterstützte Gewölbe, in welchem sich ein nicht tiefes viereckiges Bassin befindet, in dessen Mitte ein rundes, tiefes Loch hinab geht, unter welchem man Wasser brausen hört. Sollte dieß vielleicht ehedem ein Bad gewesen seyn? – Aber man ließt nirgends, daß die alten Bewohner solcher Schlösser viel aufs Baden gehalten oder gar eigene Bäder angelegt hätten. –
Jetzt wohnt in dem vordern Theile des Schlosses ein Pachter oder vielmehr Verwalter; denn es ist eine ansehnliche Wirthschaft dabei. Fast die meisten Gemächer, Kammern und Böden sind nicht mehr zu bewohnen und zu gebrauchen; sie sind die Residenzen einheimischer Fledermäuse. Auch geht in der Gegend unter den gemeinen Leuten das Gerücht, daß es nicht geheuer[126] im Schlosse sei, daß sich ein Mönch sehen lasse u. dergl.
Doch wir gehen jetzt hinter dem Schlosse durch Erlengebüsche auf einem schmalen Pfade fort, kommen über einen Graben und dann in das Thal, wo uns die Mulde entgegen fließt. In dieser Richtung sehen wir rechts den großen Steinischen Wald bis gegen das Ufer der Mulde sich herab dehnen; links auf der höhern Gebirgsseite aber zieht sich ein dünnes Gehölz fort, welches jedoch bald weiter hinten in einen großen Buchenwald sich verwandelt, in dessen Dunkel die Prinzenhöhle liegt. So verfolgen wir links unsern Pfad, welcher sich durch Wiesen schlängelt, daß uns die Mulde zur Rechten bleibt. Erst kommen wir bei einem Kalkofen, sodann weiter oben bei einer Mühle vorbei und hinter derselben nimmt uns das schattige Dunkel des Waldes auf. Hart an der Mulde windet sich oft unser Pfad dahin und das Thal wird jetzt so eng, daß nur eben die Mulde bequem hindurch fließen kann. Links zur Seite steigt das hohe, steile, mit Felsenblöcken bedeckte Gebirge auf, welches ein finstrer Buchenwald beschattet und sehr mühsam zu ersteigen ist. Man fühlt einen besondern Schauer, wenn man durch das waldige Dunkel über die bemooßten Felsentrümmer die steile Höhe hinan blickt und sich des jungen Prinzen erinnert, welcher einst, wo gewiß Alles noch wilder war, hieher und noch dazu hinauf in die Höhle geführt wurde. Doch wir sehen jetzt einen guten Weg im[127] Zickzack an den Berg hinauf angelegt. Der vor mehrern Jahren verstorbene Fürst von Schönburg hat sich sehr rühmlich durch die Anlegung eines bequemen Wegs zur Prinzenhöhle um dieselbe verdient gemacht. Denn es würde äußerst mühsam und gefährlich seyn, wenn man über Felsen und Gestrippe den steilen Berg empor steigen sollte. Aber damit der Wanderer diesen Beschwerlichkeiten nicht ausgesetzt seyn möge, zieht sich ein bequemer Weg im Zickzack bis zur Höhle empor.
Der Eingang dieser Höhle ist ziemlich eine Mannslänge hoch und ungefähr zwei Ellen breit, aber je weiter man hinter kommt, desto enger und niedriger wird sie, daß man endlich nicht weiter kann.51 Man sieht übrigens, daß sie nicht von Natur so entstanden, sondern durch Menschen weiter ausgebildet worden sei; es war vielleicht eine enge Schlucht vorher, welche irgend Jemand zu einem besondern Behufe erweitern und bequemer machen ließ. Sie geht eine ziemliche Strecke in den Fels hinein und am Eingange ist eine Tafel befestigt, worauf die Geschichte des Prinzenraubes geschrieben steht,52 aber jetzt schwer zu lesen ist; auch das Schönburgische Wappen ist am Eingange angemahlt. Uebrigens[128] aussen vor der Höhle ist es sehr angenehm und unterhaltend; angenehm durch die Gegend selbst, allerlei Holz umschattet den Fels der Höhle und nahe dabei rinnt eine labende Quelle herab, Vögel singen, und aus dem Thale herauf dringt das Rauschen der Mulde, so wie gegenüber das waldige Gebirge sich mit hervorragenden Felsen hinab zieht und durch das Dunkel der Tannen die Ruinen der Eisenburg hervor schimmern; – unterhaltend durch die unzähligen Namen, welche an den Fels um die Höhle gemahlt und in die Rinde der Bäume geschnitten sind. Aus den fernsten Gegenden findet man Viele. Hohe und Niedrige stehen hier ohne Rang neben einander und was das beste ist, Niemand hat besondere Gedanken oder Verschen darzu geschrieben, wie es oft mit dergleichen Merkwürdigkeiten53 der Fall ist, wo mancher Mißbrauch mit dieser Art, sich zu verewigen, getrieben wird. –
Dieß, lieber Leser, war die Wanderung über Stein zur Prinzenhöhle; möchte sie dir so gefallen haben, wie ich es wünsche. Doch wenn wir wieder bis Stein zurück gekehrt sind, wollen wir einen kurzen Spatziergang nach dem Schlosse Hartenstein machen.
Man sieht zwar hinter dem Schlosse einen ziemlichen Fahrweg nach Hartenstein zu führen,[129] aber dieser führt nicht auf das Schloß, sondern in das Städtchen. Durch die Wiesen am Schloßberge erblicken wir einen Pfad, diesen wollen wir auch betreten, denn er führt zum Ziele. Der Weg ist sehr angenehm, aber doppelt angenehmer und romantischer wird er, wenn man auf die Höhe gekommen ist und durch den dämmernden Buchenhain nach dem Schlosse zugeht. Mit ihren Aesten verweben sich die hohen Buchen und wirken ein magisches Dunkel; hier und da ragt ein Felsenblock hervor an einem Busche und rechts oben blinkt die weiße Mauer des Schlosses hinter den weißstämmigen Buchen herab. Links durch die Lücken einzelner Kiefern, welche am schroffen, felsigen Abhange des Berges ragen, sieht man die Stadt Hartenstein auf der breiten Fläche des Berges herab ausgebreitet, welches zusammen den interessantesten Anblick gewährt. So kommt man endlich auf diesem Pfade an den breiten Fahrweg, welcher sich von der Stadt auf den Berg und an das Schloß zieht.
Vor dem Thore des Schlosses ist eine starke, steinerne Brücke, welche über den breiten Graben führt, welcher jetzt aber ausgetrocknet, begraßt und mit allerlei Gebüschen bewachsen ist. Ueber das Schloß selbst kann ich wenig oder gar nichts sagen; es ist ziemlich groß, in gutem Zustande und wird ganz bewohnt. Aber daß man von allen Seiten die vortrefflichste Aussicht auf alle die schon erwähnten Gegenstände habe, läßt sich denken. Vorzüglich die Aussicht auf[130] das Muldenthal, worin sich das Schloß Stein so mahlerisch zwischen den dunklen Waldungen erhebt, ist eine der schönsten. Auf der Seite gegen Morgen und Mittag zieht sich ein terrassenförmig angelegter, freundlicher Garten an dem Berge hinab und erhöht das Angenehme dieser Gegend und des Schlosses. Auf der Seite vor dem Thore sieht man noch einige schöne Häuser auf dem Rücken des ansteigenden Berges und alte Linden verbreiten ihren erquickenden Schatten. –
Nun richten wir unsern Weg wieder zurück nach Schneeberg, wo uns Alles noch einmal in die Augen fällt und uns mit den freudigsten Gefühlen erfüllt.
Wer sich einige Zeit in Schneeberg aufhält, wird gewiß auch von dem Schnorrensguthe hören, welches vorzüglich Sonntags von den Schneebergern häufig besucht wird. Wir wollen daher jetzt auch einen Spatziergang dahin machen.
Man geht von Schneeberg den sogenannten Stangenberg hinab; man nennt so den Weg,[131] welcher an den Berg herab nach Schlema führt und unten zu beiden Seiten mit Stangen versehen ist, um sich fest zu halten.54 Wenn man unten ist, geht man rechts den Fahrweg fort, welcher über eine Brücke führt und mit einem andern quer nach Schlema sich ziehenden vereinigt. Ueber diesen geht man gerade weg und auf den Pfad, welcher sich eine Strecke lang an einem lebendigen Zaune fortzieht. Man kommt sodann auf einen andern ebnen Weg, welcher sich oben um den Berg herum zieht; auf diesem geht man eine kleine Strecke weiter und betritt einen neuen, welcher nicht weit von dem Beuthnerischen Hause bergan an der Spitze des Waldes vorbei beugt und sodann ungehindert die übrige ziemliche Strecke weit nach dem Guthe führt.55 – In dem Walde, dessen ich erwähnte, ist es sehr romantisch; Fichten, Tannen und Buchen in schöner Mischung wirken ein liebliches Dunkel, wo bemooßte Felsentrümmer zur Ruhe und zum Denken einladen, wo verstohlener Vögel leiser Gesang daher schwebt und aus dem Thale das Geräusch des Tages dringt. Wie oft habe ich hier auf den weich bemooßten Felsenruinen gesessen unter der alten Buche, welche ihre dicht belaubten Arme über mich breitete und unter ihrem Dämmergrün mich aufnahm! Wie oft in dieser[132] glücklichen Einsamkeit sank der Friede des Himmels in das aufruhrvolle Herz, wie oft that hier vor meinem Geiste eine glückliche Zukunft sich auf und goß Entzücken in die jugendliche Brust! Doch die Jahre schwanden, der Traum zerrann. –
Wir befolgen jetzt den begonnenen Weg und haben auf der Höhe, nicht fern von dem Walde, den herrlichsten Anblick von dem oft erwähnten Schlema und der ganzen übrigen Gegend, welche man aus den vorigen Schilderungen noch kennen wird. Ich versichere im Voraus jeden Fremden, daß er hier einer Aussicht genießen wird, die über alle Beschreibung ist; diese Lage, diese Mannichfaltigkeit, dieser hohe Reitz, – – o! Ihr, die ihr des obern Erzgebirges spottet, kommt hierher und seht und fühlt, und – ihr ändert gewiß euer Urtheil. –
Hart an dem Wege weiter oben zieht sich nun eine Strecke weit ein Fichtenwald fort, bei dessen Ende der Weg merklich ansteigt. Wenn man endlich gegen und auf die Höhe gekommen ist, sieht man hinter einer Reihe hoher Linden das Schnorrensguth mit seinem großen Garten liegen und Felder und Aecker, von Waldung eingeschlossen, breiten sich um dasselbe aus. Dieses Guth gehört jetzt dem Herrn Lagerfactor Schnorr in Schneeberg, welcher es sehr verbessert, geschmackvoller verändert und ein ziemlich grosses Tanz- und Gesellschaftshaus daran gebaut hat, welches der Funkenburg in Leipzig fast ähnlich ist.
Das mehrste Vergnügen gewährt der große Garten, worin allerlei Lauben und Parthien angelegt sind, welche, da sie nicht das Ansehen des Gekünstelten haben, mehr interessiren, als manche gewöhnliche Spielereien in solchen Gärten.
Die äußere Gegend, vorzüglich gegen das Thal hinab, ist sehr schön; auf der flach sich herab senkenden Gebirgsseite, wo wir uns nämlich jetzt am Ende der Gartenmauer befinden, ist Alles größtentheils Feld und Acker. Aber uns gegenüber zieht sich ein hohes, waldiges Gebirge quer herab und so bildet sich unten ein Thal, in welches wir nun gehen wollen.
Der Weg senkt sich am Saume des Waldes links hinab. Unten müssen wir über Felsenblöcke klettern und über einen Bach setzen, dann sehen wir uns in einer ziemlich langen Thalwiese, welche auf beiden Seiten von dicker Waldung eingeschlossen ist. Es ist hier beständig sehr kühl und still, nur das monotonische Murmeln des Wiesenbachs, welchen Erlen- und Haselgebüsche umgrünen, giebt diesem Thale einiges Leben. So geht man eine Strecke fort, bis der Wald rechts sich plötzlich abbricht und einer Menge Aecker und Felder Platz macht, welche sich über eine hügelförmige Fläche bis herab an den Bach ausbreiten; links zieht sich immer höher der Forst fort und ganz oben sieht man hohe, alte Tannen stolz darüber ragen. An dem waldleeren Fuße dieses Gebirges liegt das herrschaftliche Gebäude des[134] Auerhammers, welches freundlich herauf schimmert. Nach und nach werden mehrere Häuser dabei sichtbar, Rauchsäulen sieht man jetzt empor steigen, immer deutlicher und lauter wird das Getöse des Hammers und des Wassers. Weiter hinten sehen wir Gefilde, Häuser und Wald, dort liegt das Städtchen Aue. So kommen wir endlich nach und nach auf das Hammerwerk, welches am Fuße eines Gebirges hart an dem Schwarzwasser liegt. Dieses fließt aus einem finstern, waldigen Thale hervor, ist aber weit größer, als bei Johanngeorgenstadt, indem mehrere Bäche es verstärkt haben.
Die Gegend um Auerhammer hat mir recht sehr gefallen, vorzüglich der Wald und der Berg mit den bebuschten Felsen hinter dem Herrnhause und hier die herrliche Aussicht auf die lebhafte Thalebene. Es ist so friedlich, so ruhig hier, man findet ein Asyl gegen das Geräusche der übrigen Welt. An das Herrnhaus stößt ein großer Fischteich, auf dessen baumbepflanzten, breiten Grasufer man einen herrlichen Spatziergang hat. Ich habe hier sehr vergnügte, frohe Tage verlebt, unter Freunden die flüchtigen Freuden des Lebens sorglos genossen. – Klein war deine Hütte zwar, seliger E., und du selbst arm, aber unsere Freuden waren groß, und wir sehr reich, denn wir waren zufrieden! –
Von der Schullehrer-Wohnung aus führt ein kleiner Pfad hinauf an den Saum des Waldes,[135] wo in einem schattigen Halbrund ein kleiner Tisch nebst einigen Bänken angebracht ist. Von hier aus hat man eine herrliche Aussicht über die ganze Thalgegend, so wie der Ort an und für sich sehr angenehm ist.
Jetzt gehen wir von Auerhammer durch das weite Thal hinunter nach Aue zu, welches der Länge nach vor uns ausgebreitet liegt und wo ein neues, großes Thal sich herab dehnt. Aue und Celle müssen dem Fremden als ein Ganzes beinahe vorkommen, denn beide trennt nur die Mulde von einander, in welche sich hier das Schwarzwasser ergießt, daß durch den Zusammenfluß dieser zwei in dem obern Gebirge merkwürdigen Gewässer diese Gegend auf solche Art interessanter wird. Aue ist ein kleines Städtchen, welches aber durch die unferne Porcellanerdenzeche56 jedem Sachsen bekannt seyn wird; von seiner übrigen Lage ist nichts besonders zu erwähnen. Das auf dem jenseitigen Ufer der Mulde ausgebreitete Celle aber ist durch seine Lage vorzüglicher. Doch wir wollen über die steinerne Brücke selbst hinüber gehen.
Am obern Ende des Dorfes gegen das Ritterguth zu zieht sich gegen Abend eine große, begraßte Ebene hinab, welche auf der einen Seite von der Mulde und dem hart daran aufsteigenden hohen Gebirge, dessen obern Theil dunkler Wald[136] bekrönt, – auf der andern Seite von einem flachen, mit einzelner Waldung bedeckten Gebirge umgeben ist, und hinten zieht sich in einem Halbrund ein schwarzer Forst herum, welches einen ungemein schönen Anblick gewährt. Aber weit romantischer wird dieser Anblick durch die Kirche, welche weit entfernt von Celle, ganz allein mitten auf dieser Wiesenfläche steht und auf den ersten Anblick wie ein kleines Kloster in die Augen fällt. Es ist eine herrliche Aussicht, welche sehr lebhaft an die Ritterzeiten und Klostergegenden erinnert.
Die entfernte Lage dieser Kirche hat folgendes Mährchen zur Folge gehabt: Ehedem stand daselbst eine Kirche, welche zu dem ehemaligen Kloster Neucelle, an dessen Stelle jetzt das Ritterguth steht, gehörte. Da nach der Reformation dieses Kloster, nach dem Schicksale mehrerer anderer, aufgehoben wurde, so demolirte man jene Kirche und wollte sie nahe bei dem Dorfe zum Gebrauche für den protestantischen Gottesdienst wieder aufbauen. Aber, o, welch' Wunder! Nicht nur was man aufgebaut hatte, war jede Nacht wieder zerstört, sondern Alles lag wieder an dem alten Orte, wo die Kirche gestanden hatte. Da man nun eine vergebliche Arbeit sah, so baute man die Kirche wieder da auf, wo man sie vorher erst nieder gerissen hatte, und – es fiel keine Neckerei wieder vor, der Bau ward vollendet. So steht heutiges Tages noch die Kirche auf ihrem alten Platze. –
Dieses Mährchen wird mit vielen Variationen in dortiger Gegend erzählt und oft das Ritterguth mit der Kirche verwechselt.
Der Spatziergang durch diese Thalebene ist äußerst ergötzend und wenn man vorzüglich dann den Weg nach Unter-Schlema wandelt, wird man von den schönsten Abwechselungen und Vorstellungen der Natur entzückt; man wird es nicht bereuen, diesen Weg gegangen zu seyn, denn auch Unter-Schlema liegt sehr interessant. Anmuthige Wäldchen wechseln auf den grünen Höhen zur einen Seite, so wie fruchtbare Gefilde sich auf der andern Seite des Thales verbreiten, in welchem die Häuser und Güter zwischen Obstbäumen versteckt liegen.
Wer dann etwa einigen Durst empfindet, der kehre bei dem Steinmüller (so heißt der Eigenthümer einer häufig besuchten Schenke,) ein und labe sich durch einen Trunk Kirchberger-Weißbier, welches man hier vortrefflich erhält.
Hinter dem Gebirge bei Neustädtel liegt der an und für sich und wegen der dabei angelegten Torfstecherei wohl bekannte Filzteich.
Sein Name zeigt schon an, daß es in seiner Gegend sehr moorig und filzig sey, und außer dem Teiche erblickt man nichts weiter, als Wald. Aber man hat eine volle Stunde nöthig, ehe man den Teich umgeht, daher kann man sich die große Fläche Wasser vorstellen. Er existirt schon seit dem funfzehnten Jahrhunderte, wo er, da der Schneeberger Bergbau sehr empor gekommen war, zum Treiben der Räder, welche die unterirdischen Wasserkünste in Bewegung setzen, angelegt wurde, wozu er auch noch gebraucht wird. Daher steht er unter bergamtlicher Jurisdiktion, wird zu gewissen Zeiten gefischt und man hat unter andern vor mehrern Jahren sehr große Hechte gefangen. – Bei dem Kanale, durch welchen das Wasser in ein nahes Haus, worin es sich auf die Zechen vertheilt, geleitet wird, steht ein Stein, in welchem man »Dammbruch« eingehauen ließt; dieß ist zur Erinnerung an den 4ten Februar 1783, wo das Wasser den fehlerhaft gewordenen Damm an dieser Stelle durchbrach und das Dorf Zschorlau überschwemmte, wo es mehrere Häuser fortführte, viele sehr beschädigte und einriß, daß 18 Menschen umkamen, und so drang es bis Auerhammer.
Neben dem Filzteiche findet man die große Torfstecherei, welche aber erst seit 1789. vorzüglich in Gang gekommen ist und jetzt gute Dienste leistet. –
Seitwärts bei Neustädtel öffnet sich ein großes Thal, worin man vornen einen ziemlichen[139] Teich erblickt. Durch dieses Thal gelangt man auf einem sehr angenehmen Wege nach Lindenau, einem Dorfe, welches sich ebenfalls in einem seichten, flachen Thale sehr schön ausbreitet und durch seine abwechselnde Umgebungen für den Freund der Natur gewiß viel Reitz hat.
Auf der Poststraße57 von Schneeberg nach Zwickau kommt man von Griesbach aus erstlich nach und durch Weißbach. Dieses Weißbach ist ein schönes, großes Dorf von einer vortrefflichen Lage, vorzüglich die Gegend bei der Kirche ist so romantisch, so einladend, daß man mit Mühe sich davon trennt. Ich würde mich, so wie über die nachfolgenden Gegenden, gern weiter verbreiten; aber für mich endigt sich hier das obere Erzgebirge. Die Berge werden kleiner, die Wälder seltener und von hier an erblickt man meistentheils Aecker und Felder, kurz, hier ist der Abfall des Wildromantischen und der Anfang des Fruchtbaren und ganz Gefälligen. Man übersieht hier die Gegend um Zwickau, dessen Thurm man auf der Höhe gegen Abend hin auch schon wahrnimmt; ferner stellt sich auch die Gegend bei Wildenfels, nah und fern, dar, und dieses Alles ist ja kein oberes Erzgebirge, welches einzig nur der Zweck dieser Schilderungen ist. Es sei daher Andern überlassen, jene Gegenden zu durchwandern; ich muß meiner Absicht getreu bleiben.
Der Keilberg bei Schneeberg, dessen ich auch erwähnte, ist kein hoher und vorzüglicher Berg; es ist vielmehr ein breites, sanft und allmählich ansteigendes Gebirge, auf dessen Fuße eigentlich Schneeberg liegt, wenn man es genau betrachtet. Auf der Höhe des Keilberges trifft man in der dünnen Waldung mehrere niedrige Felsen und Felsenblöcke, so wie dahinter einige Teiche. Auf dieser Höhe hat man eine vortreffliche und weite Aussicht.
Auch habe ich vorn von einem Wolfsberge gesprochen; dieser liegt gleich dem Schneeberge gegenüber und bildet mit diesem ein Thal, durch welches der Fahrweg nach Schlema herab geht. Dieses Gebirge bricht sich dem Stangenberge gegenüber gegen Morgen hinab, an der Ecke ragt ein ziemlich hoher Fels auf, worin man den Eingang einer Höhle erblickt, welche aber nur etwa eine Elle lang ist. An diesem Berge stehen einige Eichen, die einzigen in der ganzen Gegend. –
In der Fortsetzung dieser Wanderungen werde ich den Leser über Schwarzenberg, Geyer, Scheibenberg nach Annaberg und von da weiter herum führen. Auch nach Wiesenthal um des Fichtelberges willen werden wir einen Abstecher machen müssen.
Jetzt will ich noch von den Festen, Gebräuchen und Vergnügungen des obern Erzgebirges erzählen, worin man gewiß viel Interessantes und Nationales finden wird.
Unter die vorzüglichen Feste gehört die Fastnacht, eigentlich ein Fest nur für die Bergleute, aber an den meisten Orten nimmt Jedermann gern Antheil daran. Ich werde daher jetzt von Johanngeorgenstadt sprechen, weil in dieser Stadt dieses Bergfest mit bergmännischen Solennitäten gefeiert wird.
Tags vorher sind gewöhnlich die Bergleute aus den combinirten Bergrevieren Schwarzenberg und Eibenstock in ihrem Ornate daselbst eingetroffen. Früh um fünf Uhr wird dann die große Glocke geläutet, worauf von dem Stadtpfeifer und den Berghautboisten ein Morgenlied von dem Thurme geblasen wird. So wie nun der Tag angebrochen ist, sieht man die geputzten Bergleute auf den Gassen einher- und in das Rathhaus ziehen, woselbst sie sich Alle versammeln. Das Volk steht nun umher und freut sich; Mütter freuen sich über ihre Söhne, Weiber über[142] ihre Männer, Kinder über ihre geputzten Väter, Mädchen über die schmucken Bursche. Das ist ein Treiben und Drängen, Schwatzen und Lachen; am Markte und in der Kirchgasse sind fast alle Fenster besetzt. Nun werden auch die Bergbeamten nach dem Range von Steigern und Bergältesten, so wie die Schichtmeister von ihren Leuten auf das Rathhaus feierlich begleitet, wo von oben herab ihnen Trompeten und Pauken entgegen tönen. Mit dieser Feierlichkeit wird auch die Fahne abgehohlt. Welche Lebhaftigkeit hier herrsche, kann man sich leicht vorstellen.
Endlich um neun Uhr unter dem Geläute der Glocken bewegt sich der festliche Zug mit starker Musik nach der Kirche zu. Ein Knappschaftsältester oder Schichtmeister führt den Zug an, welcher vier Mann hoch eingerichtet ist. Doch dieß Alles nach der Ordnung zu beschreiben nebst der Tracht, wäre zu weitläufig und überflüssig. Abbildungen von der festlichen Bergmannstracht findet man im Freyberger bergmännischen Taschen-Kalender. Aber das Ganze nimmt sich vortrefflich aus; wenn man von oben den langsam wallenden Zug erblickt, sieht man nichts als Grün, Weiß und Schwarz, nebst den hier und da hervor ragenden Federbüschen. Das Bergamt in seiner Tracht nimmt sich vorzüglich schön aus. Und so ist der Zug längst in der Kirche, welche fern vom Rathhause steht, während man immer noch seinem Ende aus dem Rathhause entgegen sieht.
In der Kirche wird musicirt und sodann eine Bergpredigt gehalten. Nach derselben wird unter andern auch verlesen, wie viel in diesem Jahre Erz ausgebracht worden sei u. d. gl.
Nach der Predigt oder vielmehr nach dem Gottesdienste geht der Zug in der nämlichen Ordnung wieder auf das Rathhaus und lößt sich dann wieder auf, so wie er begonnen hat. Nun nimmt jede Familie vergnügt ein festliches Mittagsmahl ein; vorzüglich bäckt man an diesem Tage viel Hefenklöße und der ärmste Bergmann thut sich da, nach seinem Ausdrucke, eine Güte, d. h. er ißt mit seiner, oft zahlreichen, Familie, ein halbes Pfund Schweinebraten mit Erdäpfelbrei oder Sauerkraut, und trinkt ein Glas Brandtewein.
Gegen Abend geht er zu Bier und zu Tanz und verjubelt lustig und froh die letzten, sauer verdienten paar Groschen, weiß nicht, ob er morgen noch lebt oder zerschmettert aus der Grube herauf gezogen wird.
Das Bergamt veranstaltet gewöhnlich einen Ball, woran der Rath, die Geistlichkeit und alle Honoratioren der Stadt Antheil nehmen und wo es äußerst froh und vergnügt zugeht. Viel Fremde aus der umliegenden Gegend nehmen häufig Theil an diesem Balle, daß die Fastnachtsfreude in Johanngeorgenstadt seit mehrern Jahren sehr merkwürdig geworden ist.
So endigt oft mit dem Morgen des folgenden Tages ein Volksfest, welches dem Bergmanne dortiger Gegend heilig, für den stillen Beobachter aber äußerst lehrreich und interessant ist.
So wie in allen christlichen Ländern und Provinzen das Weihnachtsfest mit allerlei verschiedenen Feierlichkeiten und Gebräuchen begangen wird: so machen auch hier die Bewohner des obern Erzgebirges keine Ausnahme, vielmehr feiern sie es sehr solenn und verfahren dabey noch mit besondern Eigenheiten. Doch diese Feierlichkeit, muß ich erinnern, hat blos Bezug auf den heiligen Abend und höchstens auf den ersten Feiertag.
Während der ganzen Adventzeit arbeitet und schnitzt der fleißige und speculative Bergmann an allerlei mechanischen Spielereien, welche meistentheils allerlei Modelle des Bergbaues sind und ihm manchen Schweißtropfen kosten. Diese verkauft er nun entweder, damit er Feiertagsgeld habe, oder er illuminirt sie zur Freude seiner Familie am heiligen Abend. So findet man hölzerne Steiger, in deren Bauche man ein ganzes, wohllöbliches Bergamt mit den Köpfen nickend[145] Session haltend sieht; überbaute 4–5 Stock hohe Pyramiden, wo man das ganze Bergbauwesen, auch die Eisenhammer, Wasserkünste in völligem Gange sieht u. d. gl. m.
Aber der heilige Abend selbst, wie illuminirt wird er gefeiert. Zu dieser Zeit hat es mir vorzüglich in Schneeberg gefallen, wo man Abends auf dem sogenannten Gebirge hinter Neustädtel und auf dem Mühlberge fast alle Häuser an den Fenstern sehr hell erleuchtet sieht, welches in dem Dunkel der Nacht sehr schön in die Augen fällt. Dazwischen tönt immer ein beständiges Lärmen und Singen, auch die Bergsänger gehen Abends mit Stangen-Laternen und Zithern herum und singen allerley Bergmannslieder. Bei dem geschickten Schlosser-Meister Muth sah man sonst auch verschiedene Bergwerks-Vorstellungen, welche ein einfacher Mechanismus lebendig machte, wobei noch allerhand kleine Spaßerei vorkam. Die gewöhnlichen Speisen am heilgen Abende sind Semmelmilch, Hering mit Milchbrey oder mit Aepfelsallat, oder Sauerkraut und Wurst, wobey das Gläschen Schnaps nicht fehlen darf. Zu dieser Mahlzeit brennt ein großes, bunt gemahltes Licht, auf welchem oft Namen und Jahrzahl zu sehen ist oder ein Spruch. Diese Lichte machen und mahlen sich die Bergleute selbst und schenken zu dieser Zeit einige ihren Vorgesetzten. Die Andächtigen singen zu Hause fromme Lieder, während die Frohen umher ziehen und die Weihnachtsgeschenke bewundern. Da geht denn der[146] Wirth oder die Wirthin des Hauses, wo es bescheert hat,58 herum und theilt Kuchen und Aepfel unter die, zum Theil deßhalb anwesenden, Zuschauer aus.
Sonst war auch das sogenannte heilige Christ-Spiel gebräuchlich, wo Bergleute und andere gemeine Leute in schön gereimten, burlesken Versen die Geburt Jesu als ein Lustspiel aufführten und so von Haus zu Haus zogen. Dabei war immer eine lustige Person, welche allerhand Possen trieb, z. B. dem König Herodes, welcher frisirt mit goldnem Zepter und Reichsapfel auf einem hölzernen Stuhle saß, Schnupftaback unter die Nase rieb, daß er nießen mußte. Joseph wurde als hektisch vorgestellt und hatte eine Säge in der Hand; Maria sprach oft im schönsten Contrabaß, denn Frauenzimmer waren bei dieser Truppe nicht; die Engel giengen in langen Hemden, mit vielen Bändern geschmückt und gepudert, und hielten mit einem seidenen Tuche große Husarensäbel in der Hand; die Hirten hatten hohe spitzige Hüthe von Zuckerpapier auf und knallten entsetzlich mit den Peitschen, auch bliesen sie auf Nachtwächter-Hörnern; der Stern war von Pappe und ölgetränktem Papier an einer Stange aufgesteckt und konnte gedreht werden; manchmal brannte er, denn inwendig stack ein brennendes Licht, auch an; das Christkindlein endlich war[147] nicht himmlischer Abkunft, es sah erbärmlich aus und ward oft sehr übel behandelt. Uebrigens war immer ein Knecht Ruprecht dabei, welchen man im Gebirge Rupperich nennt; wie gewöhnlich war er in einem Schafpelz vermummt, mit einer Klingel und einer Ofengabel versehen und mußte die nachlaufenden Jungen zurückschrecken. – Am sogenannten heiligen drei Königfeste erschienen dabei gar diese drei Majestäten, wobei eine schwarze war. Doch seit mehrern Jahren hat dieser Unfug aufgehört, welcher eigentlich noch ein Ueberbleibsel des in Sachsen ehedem herrschenden Aberglaubens war. So wurde vor wenig Jahren in einer dort benachbarten böhmischen Stadt das Leiden und der Tod Jesu auf diese Weise aufgeführt, wo den Heiland ein starker Fleischer repräsentirte, welcher einmal, als er am Kreutze hieng und von dem Lanzenknecht in die Seite gestochen wurde, mit starker Stimme vom Kreutze hernieder rief:59 »Hannes, stiech nett su dährb, sust stiechst d' mer halter ja d' Leber gkuttenkar durch!« – Doch auch diese Gräuel sind nicht mehr, auch dort geht ein helleres Licht auf und wirkt – Wunder! –
Am Christtage früh um 5 Uhr60 wird dann Metten gehalten; daß dieses von den[148] katholischen Messen herstamme, brauche ich nicht erst zu erklären. Hier thut sich nun der Bergmann wiederum auf sein Grubenlicht etwas zu Gute, mit welchem er, eines Arms dicke Flamme aufgeschürt, in die Kirche zieht, daß man glaubt, der Ort brenne. Und erst in der Kirche, wenn man auf den Emporkirchen viele hundert dieser hochlodernden Grubenlichter in mehrern schönen Reihen erblickt, hat man dann die prächtigste Illumination.
Bei dem folgenden heiligen Abenden geht es eben wieder so, wie am Weihnachtsabende, zu. Doch was ich erzählte, gilt nicht etwa von Schneeberg ganz allein, man trifft es fast in allen obergebirgischen Städten an. –
Darunter versteht der gemeine obere Erzgebirger, einen Nachbar, Bekannten oder Freundin auf eine nicht lange Zeit zu besuchen, mit ihm oder ihr zu schwatzen. So habe ich bei gemeinen Leuten vorzüglich im Winter dieses Hutzengehn so bemerkt: der Nachbar, die Bekannte oder Freundin kam im Negligee, grüßte, setzte sich auf die Ofenbank, fieng ein Gespräch an, und war es eine Mannsperson, so schmauchte er ein Pfeifchen. Abends kamen mehrere Mädchen mit ihren Klöppelkissen und Klöppelflaschen,61 setzten sich um ein tischförmiges, rundes Gerüste, auf dessen Mitte ein Oellämpchen stand, stellten ihre Flaschen darum, setzten sich mit ihren Klöppelkissen bereit und nun gieng das Klöppeln an, welches ein sonderbares Geräusche macht. Sie erzählten sich und sangen, scherzten und bemerkten[150] nach besonders ausgesprochenen Sprüchen, wie viel sie Schläge gemacht hatten.62 Dann kamen einzeln junge Bursche, welche sich mit hinzusetzten und scherzten, oder, da es meist junge Bergleute waren, erzählten, wie sie heute auf der Grube hätten unglücklich seyn können, worüber die Mädchen erschracken und sie innig bedauerten. Kurz, solche Winterabende im Erzgebirge sind sehr interessant; wenn draußen im Schnee der Sturm tobt und man in der warmen Stube unter solchen gutherzigen Menschen traulich sitzt und ihren Erzählungen horcht, auch wohl gar von ihrer Gastfreundschaft mit der einzigen Kost, mit gebratenen Erdäpfeln tractirt wird, – in der That, wenn man die Menschen liebt, vergißt man hier Ball und glänzende Gesellschaften, wo selten ein warmes, gefühlvolles Herz schlägt, wo man nur der Eitelkeit und ausländischen Sitten fröhnt. O! unter diesen Naturmenschen befand ich mich besser, als in der sogenannten großen Welt; ich fand unter ihnen beinahe wieder, was ich dort verlor. –
An diesem Tage ist es in den meisten Orten gebräuchlich, daß das männliche und weibliche[151] Geschlecht, freilich gewöhnlich die erwachsene Jugend, mit Häckerling oder Heugesäme gegen einander zu Felde zieht und sich damit einäschert. Diese Motion ist freilich oft etwas derb und die Empfindungen dieses Aescherns sind ziemlich unangenehm, denn man fühlt ein immer währendes Jucken und Brennen, welches der auf die Haut und in die Haare geriebene Häckerling verursacht. Aber die gebirgischen jungen Leute sind nicht so überzart und überzuckert, sie lieben diese Motion sehr und verfahren dabei gegenseitig schonungsloos und ohne Mitleid, daß sie dann Stunden lang mit dem Auskämmen und Reinigen der Haare zubringen müssen. Niemand nimmt den Andern etwas übel, ein Gemeingeist, ein Frohsinn spornt Alle zur lebhaftesten Thätigkeit. –
Doch giebt es auch verschiedene Abwechselungen; Liebende oder junge Eheleute z. B. äschern sich oft mit Rosinen und Mandeln an diesem Tage ein. Freilich ist dieses nicht so unangenehm und beschwerlich, und mancher süsse Herr wird dieses auch finden. Ich wollte es euch nicht rathen, ihr zarten, duftenden Herrchen, deren Abgott das hoch gekräuselte, schilfähnliche Haar ist, – ich wollte es euch ja nicht rathen, bei einem Einäschern mit Häckerling und Heugesäme zugegen zu seyn! Verzweiflung würde euch tödten, wenn ihr im oft und gern betrachteten Spiegel euer zerstörtes Haargethürm mit so grobem Puder durchstreut sähet, wenn ihr alle eure Hoffnungen und Mühe so vernichtet erblicktet; denn[152] die erzgebirgischen Mädchen kümmern sich wenig um eure Hahnenkämme, dadurch berückt ihr sie noch nicht! –
Jener, und wie man hoffen darf, ziemlich verschwundene Glaube an Hexen und ihre Macht hat auch im obern Erzgebirge einen Gebrauch hinterlassen, welchen man fast an allen Orten desselben antrifft. Am Abende vor dem ersten Mai nämlich, also am Walpurgisabend hört man in den Gegenden umher ein immer währendes Schießen, bisweilen auch aus Mörsern,63 wodurch man sonst die in der Luft reitenden Hexen erschießen wollte. Jetzt sollte nun vielmehr dieses Schießen als ein Zeichen des besiegten Aberglaubens angesehen werden, also ein Victoriaschießen nach dem Kampfe mit Irrwahn und Vorurtheil.
Auf den Bergen versammeln sich die Jungen, welche alte Besen anbrennen, sie dann oft herum schwingen und endlich hoch in die Luft schleudern, welches bei dem Dunkel der Nacht ein hübsches Schauspiel abgiebt. Dabei wird übrigens gejubelt und geschrieen, wie es die rohe Jugend immer zu thun pflegt. –
Man belächle diesen alten Gebrauch der Erzgebirger nicht; nicht aus Aberglauben üben sie denselben, ich versichere vielmehr, daß dort die Bergleute in vielen Dingen weit aufgeklärter und belehrter sind, als der niederländische Bauer. So z. B. ist der Glaube an den Berggeist oder Kobel ziemlich verschwunden.
Am ersten Osterfeiertage früh, an einigen Orten am dritten Feiertage Nachmittags, ist es gebräuchlich, daß Bekannte sich aufsuchen und mit Gerten von Birkenreisern oder Wacholder einander peitschen, welches man ficken nennt. Oft im Bette wird man von solchem Zuspruche überrascht und an den Händen oder Füssen ausgefickt. So sieht man die fröhlichen Leute im größten Negligee oft einander auf den Gassen verfolgen. Das weibliche Geschlecht fällt in starker Anzahl oft über eine einzige Mannsperson her und dann wehe dieser; ungeachtet seiner natürlichen Sanftheit verfährt es hier dennoch ohne Schonung. Es ist ein sehr lustiger Krieg, welchen man führt. Auch dieser Gebrauch ist sehr alt und war sonst allgemeiner. –
Am ersten Pfingstfeiertage sorgt jedes Glied in einer Familie, daß es nicht zuletzt im Bette angetroffen werde: ist dieses der Fall, so wird man ausgelacht, verspottet und Pfingstlümmel genannt. Den ganzen Tag über, wohin man geht, hört man sich so nennen und wird ausgelacht. Das ist nun die größte Lust, wenn mehrere solche Pfingstlümmel zusammen kommen und sich selbst über einander lustig machen. Auch auf den Zechen, Tags vorher ist dieß der Fall und so bei vielen Professionen und Ständen, auch sogar die Hirten beobachten diesen Gebrauch, wer der erste ist, klatscht ein Konzert mit der Peitsche.
Es ist auch an mehrern Orten des obern Erzgebirges, vorzüglich an der böhmischen Gränze, Gebrauch, am Abende vor dem Johannisfeste große Feuer an zu machen. Man sorgt aber nicht für die Größe des Feuers, sondern vielmehr, daß ein dicker, großer Dampf entstehe; deswegen[155] nimmt man grünes Reißig und schürt diese Johannisfeuer in Thälern an den Bächen an, damit man durch eingeweichtes Fichtenreißig einen recht dicken Dampf machen könne. Dieser Gebrauch ist auch bei den Gränzböhmen häufig, aber ich konnte nirgends eine bestimmte Ursache erfahren. Geschieht es dem Johannes zu Ehren oder liegt irgend ein Aberglaube zum Grunde? ich weiß es nicht.
Am Johannistage selbst tanzen die Kinder um eine mit Bändern, Kränzen und vergoldeten Eierschalen geschmückte junge Tanne. Doch dieser Gebrauch herrscht fast überall in Sachsen.
Es ist nicht zu berechnen, welch' eine Menge Vögel, und meistens Krametsvögel, alljährlich nur im obern Erzgebirge auf allerlei Art und Weise gefangen wird, und der Vogelfang selbst macht ein vorzügliches Vergnügen des Erzgebirges aus. Um Michaelis geht gewöhnlich das Vogelstellen an und ich werde hier alle die verschiedenen Arten des Fanges aufzählen und beschreiben.
Um kleine Vögel, meistentheils Roth- oder Blaukehlchen, zu fangen, bedient man sich der Tränke. Zur Zeit, wenn kleine Bäche früh schon ein wenig zu gefrieren, sucht man in einem nahen Waldthale einen solchen kleinen Bach, deren es viele giebt. Diesen bedeckt man nun eine große Strecke weit mit dichtem Fichten- und Tannenreißig, läßt aber hier und da kleine Lücken, daß das Wasser hervor blinkt, und bringt darin viereckige Rahmen von dünnen Bretchen an, worin[157] man Leimruthen fest steckt. Dieses Alles bereitet man gegen Abend vor und geht dann wieder fort.
Früh Morgens fliegen nun die kleinen Vögel umher und wollen trinken, aber die Bäche sind gefroren; so kommen sie endlich durstig an unsern Graben, welcher durch das dicht überdeckte Reißig für Frost gesichert ist. Lange hüpfen sie darum, bis sie endlich an die Lücken kommen, wo die Leimruthen stecken, worauf sie sich setzen und trinken, für diese Bequemlichkeit aber ihre Freiheit und gewöhnlich ihr Leben hingeben müssen. Den Nachmittags geht man hin und nimmt die schreienden und flatternden Gefangenen ab, wobei man manches Vergnügen hat. –
Um Stieglitze und Hänflinge zu fangen, hat man eigene, kleine Heerde, wo der sogenannte Strauch64 aus dürren Disteln besteht, dessen Saamen jene Vögel gern fressen; sie gehen häufig darauf, wo denn plötzlich über sie ein Netz springt und sie fängt. Die Erzgebirger halten, so wie die Harzbewohner, (über welche man sich in Bechsteins Naturgeschichte der Stuben- und Singvögel belehren kann,) sehr viel auf Sing- und Stubenvögel, wenden oft den letzten Groschen dafür an und sind meistens ganz leidenschaftlich für manche Arten Vögel eingenommen. So findet man in der Stube des ärmsten Bergmanns[158] doch immer gewöhnlich ein halbes Dutzend lebendiger Vögel, worunter die beliebtesten und allgemeinsten folgende sind:65 1) der Reitzufink, 2) der Stieglitz, 3) der Hänfling, 4) die Lerche, 5) der Zeißig, 6) der Quäcker, 7) die Zippe, 8) der Grünschling, 9) der Gimpel und andere mehr. In Schönhaide ist das Vogelstellen, vorzüglich auf Feld- und Heidelerchen, einheimisch. –
Der Vogelfang mit Leimruthen ist bekannt. Aber weniger und fast gar nicht werden die Kloben bekannt seyn, welche Art, Vögel zu fangen, der übrigens verdienstvolle Oberförster Mirus in Jahnsgrün erfunden hat, wovon auch eine Abbildung und Beschreibung im Forst- und Jagdkalender für das Jahr (wenn ich nicht irre) 1798. zu sehen und zu lesen ist. – Früh vor Tages geht man auf den Klobenheerd; hier steht eine mit grünem Reißig überdeckte Hütte, um welche nicht weit davon in einem halben Kreise eine Anzahl hoher, oben mit einigen wenigen Aesten versehener, Stangen steht, worauf die Kloben, welche wie hervor ragende Aeste aussehen, angebracht sind. Unten gehen von jeder Stange Schnüre herein in die Hütte; so wie nun auf irgend einem Kloben einer solchen Stange man Vögel sitzen sieht, sucht man, wie viel Nummer[159] die Stange sei und faßt die dahin gehende Schnur; ruckt ein wenig und plötzlich schreit oben auf dem Kloben der mit den Beinen gefangene Vogel. Man läßt die Stange nieder, nimmt die Vögel aus und stellt wieder auf. Ich würde gern einen solchen Kloben hier näher beschreiben; aber theils gehört dieses nicht hier her, theils kann man sich aus der schweren Beschreibung desselben keine deutliche Vorstellung machen, besser ists, wenn man Alles selbst sehen kann. –
So künstlich und sicher auch dieser Vogelfang ist, so gefallen mir doch die großen Heerde mit Schlagnetzen weit besser und schöner. Früh um drei, vier Uhr zieht man schon fort, mit einer Laterne, und mit Lebensmitteln versehen. Man kommt in der Hütte an; hier wird mit Kohlen der kleine Ofen geheitzt und Wasser nebst Milch zum Kaffee zugesetzt, während der Vogelsteller die Lockvögel füttert und aushängt, und die Netze aufspannt. Während dessen kommt die Morgenröthe schon ein wenig und, da solche Vogelheerde meistentheils auf Bergen zwischen dem Walde liegen, so ist es dann ein herrlicher Anblick, wenn die Sonne aufgeht und nun Alles lebendig im Walde wird, so wie auch die vielen Lockvögel nun an zu singen fangen. Jetzt muß man ruhig seyn, der Kaffee ist auch fertig geworden und man trinkt, raucht ein Pfeifchen und giebt Acht, wo es Vögel giebt. Man kann durch Spalten und kleine Fensterchen zu allen Seiten der Hütte hinaus sehen. – So wie dann ein Schwarm Vögel[160] heran und in den mit Beeren geschmückten Strauch gefahren ist, wird mit einem Ruck plötzlich das große Netz zugezogen und wer da ist, muß nun eine dabei liegende Ruthe ergreifen und die gefangenen Vögel in die Zipfel des Netzes treiben, wo man sie leichter heraus nehmen kann.
In andern Gegenden sticht man, um den Vogel zu tödten, ihm eine Feder durch den Kopf; welch' ein grausamer Tod! Der obererzgebirgische Vogelsteller hat einen bessern Vortheil; er weiß nämlich auf dem Rücken des Vogels einen kleinen Knochen, welchen er geschickt schnell zerdrückt, daß der Vogel kein Glied mehr zuckt. Dieß geht sehr schnell und ein Schock Vögel drückt er so in wenig Minuten todt. –
Uebrigens hat es mir recht sehr auf diesen Vogelheerden gefallen, es ist so heimlich und traulich daselbst, daß man sich Mittags ungern trennt. Freilich es kommt viel auf die Gesellschaft an, in welcher man sich befindet; ich war in sehr lustiger Gesellschaft und erinnere mich noch mancher lächerlicher Scenen und Geschichten, welche auf solchen Vogelheerden vorfielen. Es giebt der Vogelheerde sehr viele im obern Erzgebirge, besonders an der Gränze.
Endlich durch den Dohnenstrich fängt man auch Vögel in Menge und im Herbste kann man immer und wohlfeile gebratene Krametsvögel essen und niederländische Leckerbissen im Gebirge ganz gewöhnlich antreffen.
Man ist ungemein im Erzgebirge für den Vogelfang eingenommen, kleine Jungen sogar sieht man häufig mit einer Klette, worauf Leimruthen stecken, nebst zwei oder drei Lockvögel aufstellen. Das Forstdepartement eifert zwar sehr darüber, aber die geplagten Forstbedienten können nicht überall sehen und seyn. Das Geschlecht der Vögel stirbt darum nicht aus, sonst müßte es jetzt weniger derselben geben, als sonst und dieses kann wohl Niemand beweisen. Uebrigens kommt die viele Waldung und die Menge der Wacholder- und Eibischbeeren dem obergebirgischen Vogelfange sehr zu statten. –
Für den Fremden muß es ein besonderer Anblick seyn, wenn er im Winter die obergebirgische Jugend auf kleinen für sie eingerichteten Schlitten von hohen Bergen mit Pfeilesschnelle herunter fahren oder vielmehr gleiten sieht, welches man Ruscheln66 nennt.
In großer Menge versammeln sich Knaben und Mädchen mit ihren kleinen Schlitten auf der[162] Höhe eines Berges, wo nämlich ein wenig Bahn herab geht, setzen sich auf, geben sich einen Schwung und fliegen schnell den Berg herab; aber sie können sehr geschickt ihren Schlitten mit den Füssen lenken, ohne Schaden zu nehmen. Freilich geht manchmal ein Unglück vor, aber selten, und welches Vergnügen auf dieser Erde ist nicht mit Gefahr und Unglück immer verknüpft? –
Manche, damit es noch schneller geht, lassen ihre Schlitten gar mit glattem Stahle an den Kuffen belegen. Man sieht hieraus, daß an keine Gefahr gedacht wird. Auch macht man in die Ruschelbahn bisweilen, ja gewöhnlich Vertiefungen, damit der Schlitten hier einen neuen Schwung erhält, hoch springt und weit schneller hinab fliegt. Ich habe es sogar gesehen, daß Knaben auf Schlittschuhen die spiegelglatte Bahn eines Berges herab fuhren, ohne zu fallen oder zu wanken. Kälte und Schnee wird gar nicht geachtet, ohne Handschuhe, ja auch barfüssig oft, ergötzt man sich durch das Ruscheln. Manchmal versiehts einer und wirft auf der Hälfte des Weges um, daß er in den Schnee purzelt und der Schlitten allein den Berg herab fliegt: darüber lachen ihn die Andern entsetzlich aus, aber der kleine Schneemann steht gelassen wieder auf, hohlt sich seinen Schlitten wieder und ruschelt nun vorsichtiger. –
Abends beim Mondscheine ruscheln auch die erwachsenen jungen Leute auf größern Schlitten,[163] Handschlitten genannt. Dabei sind oft auch erwachsene Mädchen und eine junge Mannsperson hat dann immer drei bis vier derselben hinter sich auch auf dem Schlitten, nimmt sich zusammen, daß er nicht umwirft und erhält zur Belohnung dann am Ende von jeder ein Küßchen.
Durch dieses Ruscheln erhält der Körper Geschmeidigkeit, wird abgehärtet und fest, so lernt der Knabe Unerschrockenheit und Geistesgegenwart, Muth und Vorsicht und verabscheut jede kleinliche Furcht vor Gefahr. Darum lassen die meisten Aeltern unverwehrt und gern ihre Kinder ruscheln.
Im Winter vergnügt man sich auch gewöhnlich durch den Schnee selbst. So macht man kleine Schneeballen und setzt daraus hohe pyramidenförmige Häuschen zusammen, worein man Abends ein brennendes Licht setzt. Dieses sieht nun prächtig aus, vorzüglich in der Ferne, daß man gar nicht weiß, wofür man es halten soll; denn die Schneeballen an und für sich sind erleuchtet[164] und durch die Lücken strahlt übrigens noch der hellere Schein hindurch.
Ferner formt man aus dem Schnee große, menschliche Figuren, welche man bemahlt und mit einem ausgehöhlten, bunt durchsichtigen Kürbisse statt des Kopfes ziert, in welchem ebenfalls des Abends ein brennendes Licht gesetzt wird. Damit macht man sich nun viel Spaß. Auch häuft man von Schnee einen Berg auf, in welchem man Höhlen und Ausgänge bildet. – Wenn es thaut und der Schnee sich ballt oder vielmehr ballen läßt, geht man auf hohe, steile Berge, macht einen nicht großen Ball und läßt ihn auf der Oberfläche des Schnees hinunter rollen. Je weiter dieser nun rollt, desto größer wird er und stürzt sich als Lavine dann mit Pfeilesschnelle hinab ins Thal, wodurch aber bisweilen eine ganze Strecke Weges oft verschüttet wird. Solche Lavinen rollen sich häufig auch selbst die Berge herab, aber die Größe und den Schaden haben und thun sie nicht, wie ihre gigantischen Brüder in den Schweitzergebirgen. In den Wäldern jedoch thun sie durch Umknicken junger Bäume manchen Schaden. –
Da auch die Sprache im obern Erzgebirge unter das Interessante desselben kann gezählt werden, so habe ich in folgendem kurzen Gespräche vorzügliche Eigenheiten und Ausdrücke derselben erwähnen wollen. Aus der beigefügten Uebersetzung wird man, so wie aus den Anmerkungen, wird man den Sinn verstehen.
Zwa Barkleut pagönga annanner. | Zwei Bergleute begegnen einander. |
1. | 1. |
Galück auf, Hänner! | Glück auf, Heinrich! |
2. | 2. |
Galück auf, Kahr! Wulenden67 warste däh? Epper im Wald? | Glück auf, Karl! Wo warst du denn? Etwa im Walde? |
1. | 1. |
Na! Ich ho schuna ganzen Morgn sette Kupwithing, do bi ich a wink hutzen ganga za men Pod Dafet. | Nein! ich habe schon seit dem ganzen Morgen solches Kopfweh, da bin ich ein wenig auf Besuch gegangen zu meinem Pathen David. |
2. | 2. |
Do warste? – Jasuh. Sei netta Madla za rocken bei den Pod? Aff gieng racht za Foden. | Da warst du? – Ja so. Sind nicht auch Mädchen[166] zu Rocken bei deinem Pathen? es gieng recht lustig zu. |
1. | 1. |
Eiuh! Aff Müllerhannel un aff Schmidtrickel un aff Beierkordel wa do, se thaten singa. | O ja! Müllers Hannchen, Schmidts Rieckchen und Beiers Kordchen waren da; sie sangen. |
2. | 2. |
Hos schu gahärt. 'ssei rachte Kröten! – Izza ho ich a an Achherrl, doss iss a schi Dink; aff hängt annän Köthel. | Habs schon gehört, es sind rechte Kreten!68 – Jetzt habe ich auch ein Eichhörnchen, das ist ein schönes Ding; es hängt an einem Kettchen. |
1. | 1. |
Ei Sackerwunna, das muß ich asah! Nochmittig kumm ich a wink hutzen zuder. | Ei der Tausend, das muß ich ansehen! Nachmittag komme ich ein wenig zu dir. |
2. | 2. |
Nu 'siss racht, da kimmst a gar nett in Zod. Hosta däh za thu? | Nun das ist recht, du läßt dich auch gar nicht sehen. Hast du denn zu thun? |
1. | 1. |
Dos sei Sachen! Ich muß Bornkinnelsachen schnitzen, do stih ich nett vun men Söser auf, bis Ohmst, nocher ratz ich a wink un fahr ah. | O ja! Ich muß heilge Christsachen schnitzen, da stehe ich nicht von meinem Sitze auf bis Abends, nachher schlafe ich ein wenig und fahre dann an.[167] |
2. | 2. |
Off da Woch iss Garmerig; ich ho oder ka Gald, sist hätt ich mer ann Zscharper gakaft. | Die nächste Woche ist Jahrmarkt; ich habe aber kein Geld, sonst hätte ich mir einen Zscherper69 gekauft. |
1. | 1. |
I der alte iss ah gut. Ich mussa ham, mer wolln assen, Ardöppel mit Göllerla un a Battelmadelsupp. | Je, der alte ist auch gut. Ich muß nach Hause, wir wollen essen, Erdäpfel mit Schalen und eine Brodkümmelsuppe. |
2. | 2. |
Ich wahr mer en Harig fer en Sechser huhlen losen. Galück auf, Kahr! | Ich werde mir einen Hering für einen Sechser hohlen lassen. Glück auf, Karl! |
1. | 1. |
Galück auf, Hänner! | Glück auf, Heinrich! |
1 Merkels Erdbeschreibung von Sachsen wird hier rühmlichst ausgenommen. Auch ist meine Absicht ganz verschieden von dem Zwecke jenes Werkes. – D. Lehmanns Schauplatz entspricht derselben, aber er enthält zu viel Aberglauben, ist zu weitschweifig, und sehr selten zu bekommen.
2 Daher erinnere man sich, daß ich nicht für Erzgebirger schreibe. Ihnen diene dieses zur Beherzigung, um voreilige Urtheile zu unterdrücken! –
3 Alle Erzgebirger mögen hier an den Edlen von Bodenhausen bei Leipzig denken!! – Er hat viele hundert Scheffel Getraide den armen Erzgebirgern geschenkt. –
4 So nennt man in der dasigen Gegend die Unterjugel; in den ältern Zeiten wurde daselbst blaue Farbe gemacht, daher stammet diese Benennung.
5 Eine bekannte Silbergrube.
6 Man sagt gewöhnlich Berg, und versteht darunter Haus, Bier und Gesellschaft. Wenn der Johanngeorgenstädter also sagt: ich gehe auf den Berg, – so heißt dieses: ich gehe zum böhmischen Biere. –
7 Halde nennt der Bergmann die vor den Stollen und Gruben aufgeschütteten großen Haufen des kleinern und größern Gesteins, welches herausgeschafft worden ist.
8 So heißt die Oeffnung eines mannshohen, schmalen unterirrdischen Ganges, den man Stolln nennt.
9 Auf Halden darf man sie nicht schütten, dieses kann das Bergamt wegen besonderer Gesetze nicht gestatten.
10 Ueber die Maschinerie eines solchen Pochwerks belehre man sich aus bergwissenschaftlichen Büchern, weil eine solche Beschreibung nicht hierher gehört. –
11 Ueberhaupt verändert sich im Gebirge die Gegend fast mit jedem Schritte, den man gethan hat; immer neue Aussichten, und Gegenstände.
12 So werden die Wege genannt, welche zu den Zechen führen. Da im Winter oft wegen des hohen Schnees und im Sturme sonst sich die Bergleute verirrten und manche vielleicht gar erfroren: so ließ das Bergamt Alleen an diesen Steigen anpflanzen, welche im Winter den früh oder Abends anfahrenden Bergleuten zur Leitung dienen sollten. Sie nehmen sich sehr gut aus und dienen zur Verschönerung der Gegend. Leider wurden sie von ruchlosen Menschen verletzt und beschädigt, daß mehrere Bäume eingegangen sind. –
13 So heißt derjenige Ofen, wo der rohe Eisenstein zuerst geschmelzt wird. Dieser Ofen ist gewöhnlich von ziemlicher Höhe; der gepochte Eisenstein wird oben hinein geschüttet, wo eine fürchterliche Gluth herrscht, welche zwei Blasebälge, von dem Wasser getrieben, anfachen. Des Nachts erleuchtet die Flamme, welche ellenhoch aus diesem Ofen weht, den Himmel und die Gegend, welches einen schauerlichen Anblick gewährt und an die Vulkane Italiens erinnert.
14 Der Krieg unterbrach den Bau; vermuthlich wird er fortgesetzt werden.
15 Ich weiß nicht, ob er noch lebt; im Jahre 1806. lebte er noch.
16 So ist der eine Name erklärt. Auch sagt man in der Gegend umher nur schlechtweg: »'s Felsel.« Warum man auch Teufelskanzel sage, will ich nachher erklären.
17 Ich habe mich sehr gewundert über den größten Theil der obergebirgischen Jugend, in Rücksicht des flinken und geschwinden Kletterns auf Felsen und steile Berge. Die Gemsenjäger in Savoyen müssen nicht geschickter und schneller die Felsen ersteigen, als manche Knaben im obern Erzgebirge.
18 Seit einigen Jahren wird viel Holz abgeschlagen, wodurch dieses schöne Thal lichter und freundlicher und die Luft selbst weit milder wird; denn in jenen Forsten herrscht auch in den heißesten Tagen eine auffallende Kälte.
19 Freilich wird oft sehr gewüstet; aber ich würde ein schönes Capital haben, wenn ich alles das Holz bezahlt erhielt, was dort verfault. –
20 So nennt man diese Felsen, weil man den Steinmassen, die auf einander geschichtet scheinen, eine Aehnlichkeit mit einem beliebten Backwerk, – Hefenklößen – gefunden hat. An hohen Festtagen, vorzüglich an Fastnacht werden sie in dasiger Gegend häufig gebacken.
21 Wenn ich nicht irre, gehören diese Häuser zum Hammerwerke Breitenhof.
22 Rechts drüben nämlich liegt eine Eisensteingrube, der Schimmel genannt, bei welcher eine große Wasserkunst im Gange ist, man sieht auch die Gestänge derselben deutlich. – Wenn nun das große Rad, welches die ganze Maschine in Bewegung setzt, einmal um sich herum ist, so tönt jedesmal die kleine Glocke; diese Einrichtung hat den Nutzen: daß man gleich hören kann, wenn an der Maschine etwas zu Bruche gegangen.
23 So nennt man die von hoher Waldung leeren, freien Plätze in einem Walde.
24 Verzeihen Sie, meine busenenthüllten Damen!
25 Verzeiht, ihr ästhetischen, duftenden Seelen, mit Lorgnette und Hahnenkamm.
26 Man sehe die erste Anmerkung.
27 Es sind hier mehrere Pochwerke, welche alle über einander liegen, das eines dem andern das Wasser zuführt.
28 Welcher aus so manchen Reisebeschreibungen hervorblickt.
29 So viel Auerhähne soll es sonst daselbst gegeben haben, daß man zur Falzzeit weit und breit habe das Geschrei hören können. Jetzt hört man aber wenig oder gar nichts. –
30 Um wegen der nächtlichen Kälte auf dem Berge uns von innen zu wärmen.
31 Es war vielmehr ein Loch.
32 Leidigen Andenkens! –
33 Der gemeine Mann in dortiger Gegend sagt nicht Ameisen, sondern Sahgwammesen. –
34 Dieß thun die Wildschützen aber nie, man darf nur thun, als sieht und kennt man sie nicht. Ein gewisser Steiger in J. merkte, daß des Nachts sich in der verschlossenen Kaue seiner Zeche Wildschützen aufhielten. Er schrieb daher an die Thüre: daß sie ihm auch etwas schenken sollten. Wenig Tage drauf fand er eine delicate, frische Hirschkeule. In der Kaue hiengen mehrere eiserne Geräthschaften, nie fehlte etwas; aber einst vermißte der Steiger doch eine Axt und schrieb sein Mißfallen darüber an die Thür. Am folgenden Tage fand er eine neue, weit bessere Axt wieder in der Kaue. Und so giebt es viele Beispiele dieser Art. –
35 M. s. Jean Pauls Briefe und bevorstehender Lebenslauf. S. 29.
36 Dessen im zweiten Theile wird erwähnt werden. Gemeiniglich nennt man ihn Piehlberg.
37 Obige Novantike steht in den Freyberger gemeinnützigen Nachrichten (4r Jahrg. 1803. N. 31. S. 269.-275.) woraus sie hier mit Bewilligung des Hrn. Verlegers abgedruckt ist. Der Auersberg wird hier von einer andern Seite bestiegen und der gefühlvolle Leser sieht hieraus, daß meine Schilderungen des Obererzgebirges der Natur und Wahrheit getreu und nicht übertrieben sind.
38 Die höchste Koppe des Fichtelbergs im Bayreuthischen.
39 Und wenn der Schnee in den Hohlwegen so hoch liegen soll, kann man voraussetzen, daß diese noch tiefer seyn müssen; also vielleicht 40–50 Ellen, was sind denn 10 Ellen? – Die hat man bald geschrieben! –
40 Dites encore, que la neige n'est pas blanche!
41 Man sagt in der Gegend gewöhnlich Olbernhau; ich weiß nicht welches richtig ist, übrigens thut dies nichts zur Sache.
42 Ich habe nicht gesehen, oder gehört, daß er bei Unterblauenthal abgeleitet sey, wie man in Merkels Erdbeschr. 1r Bd. S. 175. ließt.
43 Man verzeihe mir diesen gewagten Ausdruck, vielleicht dient er, die Sache anschaulicher zu machen.
44 Der Berg nämlich, worauf die Stadt liegt, heißt der Schneeberg. Sonst schrieb sich auch das Bergamt: »das Bergamt uffm Schneeberg.« –
45 Vor kurzem hörte ich, daß diese Bürgergesellschaft sich einer Auflösung nahe. Dieß wäre wahrhaftig sehr zu bedauern! –
46 So nennt man diese Gebirgsseite überhaupt, hinter welcher der Filzteich liegt.
47 Es gehörte sonst, wenn ich nicht irre, dem verstorbenen Bergmeister Beyer in Schneeberg. –
48 Er gehört dem Rathe zu Schneeberg.
49 Bei dieser Gelegenheit will ich erinnern, daß man in den Wäldern des Erzgebirges beim Herab- oder Hinaufsteigen hoher Berge sich wegen der dürren Nadeln sehr vorsehe. Stiefeln mit Absätzen, lederne Handschuhe und einen starken Stock mit einem Stachel muß man nothwendig haben. –
50 In d. Gegend spricht man gewöhnl. Schorl oder da Schuhel.
51 Man muß sich mit Feuerzeug und einem Lichte versehen haben, damit man innen sich umsehen kann.
52 Ich erwähne der Geschichte nicht erst wieder, da sie einem jeden Sachsen bekannt seyn muß.
53 Dabei erinnere ich mich des Lutherbrunnens bei Wittenberg, und des Brockens. –
54 Einen solchen Stangenberg, aber weit höher und steiler, giebt es auch bei Johanngeorgenstadt.
55 Diese etwas weitläufige Wegbeschreibung geschieht um der Fremden willen.
56 Die gemeinen Leute in dortiger Gegend nennen diese Zeche: s' weiße Zeug. –
57 Der ehemalige böse Weg ist jetzt in eine sehr schöne Chaussee verwandelt.
58 Wu ass Bornkinnel baschärt hod – nach gebirgischer Mundart. Bornkinnel ist so viel, als gebornes Kindlein.
59 »Johannes, stich nicht so derb, sonst stichst du mir ja die Leber ganz und gar durch« – Halter, welches Wort in ganz Böhmen, Oesterreich und Baiern national ist, bedeutet soviel als: halt ich dafür.
60 An einigen Orten zu einer andern Stunde.
61 Dies sind runde Flaschen von sehr dünnem Glase mit hellem Wasser angefüllt, hinter welche das Lämpchen gestellt und dadurch ein klarer Schein auf das Spitzenmuster verbreitet wird.
62 Halbe, ganze und Doppelschläge sind Kunstausdrücke beim Spitzenklöppeln.
63 Diese kleinen Mörser heißen Böller.
64 Auch beim Vogelstellen sind termini technici; es gehört zur kleinen Jagd.
65 Nach gebirgischer Mundart: drr Reitzugfink, 2) drr Stillitz, 3) drr Hamfling, 4) da Lerch, 5) drr Zessig, 6) drr Quacker, 7) da Zipp, 8) drr Grünerts.
66 Es kommt dieses Wort vermuthlich von Rutschen her.
67 Wulenden soviel als: an welchem Ende, wo, wohin, woher.
68 Dieß läßt sich schwer übersetzen; vermuthlich ist es das verstümmelte Katharina, Kretchen. Es bedeutet lustige, schelmische Personen.
69 Zscherper heißt ein kurzes starkes Messer mit einem beinernen Hefte, welches der Bergmann beim Anfahren anstecken hat. Er ißt und schnitzt damit.
Weitere Anmerkungen zur Transkription.
Offensichtliche Fehler wurden stillschweigend korrigiert. Unterschiedliche Schreibweisen wurden beibehalten.
Korrekturen:
Einleitung: Silberkieseibachs → Silberkieselbachs
am weichen Ufer des Silberkieselbachs
S. 14: Mauren → Mauern
Man trifft diese Mauern um die Felder
S. 49: zieht → sieht
tief und klein unter sich sieht
S. 67: Drocknes → Trocknes
und man sah Trocknes und Erde
S. 80: umherblinkte → umherblickte
mit welchen frohen Gefühlen ich umherblickte
S. 101: Felsern → Felsen
mit allerlei Wäldern und Felsen belebten Gebirge
S. 158: dem → einem
auf irgend einem Kloben
S. 165 ergänzt: wird man den Sinn verstehen.
wie aus den Anmerkungen, wird man den Sinn verstehen.
End of the Project Gutenberg EBook of Interessante Wanderungen durch das Sächsische Ober-Erzgebirge, by Christian Gottlob Wild *** END OF THIS PROJECT GUTENBERG EBOOK INTERESSANTE WANDERUNGEN *** ***** This file should be named 54427-h.htm or 54427-h.zip ***** This and all associated files of various formats will be found in: http://www.gutenberg.org/5/4/4/2/54427/ Produced by The Online Distributed Proofreading Team at http://www.pgdp.net (This file was produced from images generously made available by SLUB: Sächsische Landesbibliothek - Staats - und Universitätsbibliothek Dresden at http://www.slub-dresden.de ) Updated editions will replace the previous one--the old editions will be renamed. Creating the works from print editions not protected by U.S. copyright law means that no one owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and you!) can copy and distribute it in the United States without permission and without paying copyright royalties. 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