Der Kuhmist kam daher, weil die Kühe aus den rauchgeschädigten Braunkohlengebieten ins Gebirge auf Erholung müssen. Als dann die Türhöhe den Kühen nicht mehr reichte, kamen Kälber und Schafe. Man hätte die Reihe noch weiter fortsetzen können: Schweine, Kaninchen usw. Diese Entwicklungsstufen wurden aber übersprungen, und jetzt waren nur noch Mäuse da. Wegen der Seuchengefahr (das Wasser geht in die Prager Wasserleitung) werden die Kühe jetzt anderweitig auf Sommerfrische geschickt.
Der Bürgermeister sagte: »In Iser ist kein Haus mehr zu verkaufen.« »Und was ist mit Nr. 8?« »Die kann niemand reparieren, wird im Frühjahr abgerissen.« Dann hielt er inne und ich sah, wie er dachte: Endlich hat sich ein Dummer gefunden; und sagte: »Für zweihundert Kronen könntet Ihr sie haben.« Der Kaufpreis wurde so festgelegt: vom Materialwert werden Abbruch- und Transportkosten abgezogen und dann werden noch Prozente berechnet, ja nach Einwohnerzahl, Grenznähe, Autobus- und Bahnverbindung. Da Klein-Iser nur noch zwei ständige Einwohner hat, wurde es zu Kořenov eingemeindet. Dadurch bekamen wir Autobus und Schnellzugstation (rein administrativ) und der Preis schnellte auf 345 Kčs hoch. Als der Schätzer kam, suchte er die Hausnummer, denn er wollte nicht glauben, daß jemand »so« ein Haus kauft. Als sich 1929 mein Vater für das Haus interessiert hatte, sollte es 35000 Kčs kosten. Wir warteten 35 Jahre, bis der Kaufpreis mit 345 Kčs festgelegt wurde. GEDULD BRINGT ROSEN!
Nach einiger Zeit mußten wir noch einen Weg für 55 Kčs dazu kaufen, weil wir angeblich nicht hinfliegen konnten.
Nach altgriechischem Vorbild leiteten wir einen Bach durch das Haus und schwemmten somit den Mist hinaus. Wo das nicht ging, warfen wir ihn durch die Fensterlöcher. Da der Mist aber die ganze Aussicht verdeckte, nahmen wir eine Planierraupe und schoben ihn hinter das Haus. Es hat eben seine Vorteile, wenn gleich unterhalb eine Straße gebaut wird. Ein Gerücht ging um: »Die Ginzels haben sich ein Haus gekauft, das besteht nur aus Löchern, und aus jedem Loch fliegt Mist heraus!« Ein Drittel des Mistes haben wir bereits verkauft und bekamen mehr dafür, als das Haus gekostet hat. Im Stall ließen wir den Mist und züchteten dort Champignons. Alle Löcher wurden fest vernagelt, und als wir das nächste Mal nach Hause kamen, mußten wir durch das Hundeloch einbrechen. Allen Bekannten schickten wir die Maße der Fenster und Türen. Binnen drei Monate hatten wir alles mit der größten Differenz von einem Zentimeter paßgerecht. Natürlich paßten nicht gleich die ersten Fenster, und so vernagelten wir das Fehlende mit Leisten. Wenn wir später passende Fenster bekamen, so wechselten wir sie oft mehrmals aus. An manchen Stellen haben wir schon die sechsten Fenster. Wir versahen sie mit Scharnieren, denn beim Aufmachen fielen sie immer hinaus. Da aber der Mist weich ist, gingen sie dabei nicht kaputt. Transportiert wurden sie mit dem Motorrad. Meine Schwester lenkte, und ich hatte eine Kraxe Fenster auf dem Rücken! Z.B. hatten wir einmal 5 Türen zwischen uns. Die Straße ist so breit wie die Türen hoch, deshalb fuhren wir um Mitternacht, damit kein Fahrzeug entgegenkommen konnte.
Angestrichen wurde mit einer Mischung aus ausgefahrenem Autogetriebeöl mit Ruß, Fenster und Sockel weiß, so sieht es schon ganz manierlich aus. Die Hirsche kommen jedoch nicht mehr bis unter die Fenster, wahrscheinlich behagt ihnen der Geruch nicht.
Da neue Möbel teuer und unpassend sind, machte ich aus der Not eine Tugend und richtete im Stile 1780-1830 ein. Keiner meiner Bekannten ist jetzt sicher davor, daß ich Boden und Kammern nach bemalten Truhen und Schränken, Tellern, Pendeluhren, usw. durchstöbere. In der Sächsischen Schweiz bekam ich z.B. vier Bauernstühle. Mit einem Bekannten holte ich sie ab. Er getraute sich aber nicht, mit vier Stühlen am Motorrad nach Dresden zu fahren, so kamen sie in die Aufbewahrung nach Bad Schandau. Auf der Heimfahrt mit der Bonzenschleuder telefonierte ich dann: »Stellen Sie die Stühle auf den Bahnsteig zum dritten Waggon!« Die Zollbeamten sagten: »Stühle im Vindebonaexpress habe wir auch noch nicht gesehen!« Wir erklärten: »Es gab keine Platzkarten mehr, da mußten wir uns irgendwie helfen.« Im Ort kaufte ich für 25 Kcs drei Stühle und einen Tisch. Alle Besucher konstatierten: »Im Verhältnis zum Haus ist das sehr teuer!« Einem Nachbar überließen wir die unpassenden Fenster, dafür baute er den Kamin. Leider nahm er statt Zement irrtümlich Kunstdünger, da bröckelte alles wieder ab.
Der Bach läuft immer noch durch das Haus. Die Strömung wird als Dusche und Nachtgeschirrspülmaschine benutzt.
Die Mäuse machten uns aber immer noch Schwierigkeiten. Wenn ich mich schlafen legte, ging es los: »KNATSCH!« Die Mausefalle war zugeschnappt. Ich kroch wieder aus dem Bett, aber es dauerte nicht lange, so ging es wieder: »KNATSCH!« So ging es fort, bis wir im letzten Herbst aller Löcher mit Mixkaffee zugeschüttet hatten. Seitdem ist Ruhe!!!
In der Stube stehen zwei Öfen. Wenn einer nicht brennen will, wird noch der andere angeheizt, und das Heizen wird in Form eines Wettbewerbs organisiert. Überall sind Schilder angebracht: z.B. auf der wackeligen Bodenstiege: »Privatweg, Benutzung auf eigene Gefahr!« Beim Schild »Notbeleuchtung« sind Kerzen.
Zwei laufende Meter Iser-Literatur habe ich schon gesammelt. Darin steht u.a., daß die Leichen früher unter dem Schnee bis zum Frühjahr aufgehoben wurden und unser Haus schon seit 1699 gestanden hat.
Im Stall werden eine Werkstatt und ein Bad eingerichtet. Im ersten Stock werden drei holzgetäfelte Zimmer eingerichtet, in der Stube ein großer Kachelofen eingebaut, wo die Bahnschwellen im Ganzen hineingehen, daß man sich nicht mehr mit Sägen und Hacken plagen muß, im Klo wird ein Wasserkasten angebracht. Wenn man zieht, kommt kein Wasser, sondern es läutet, daß bedeutet: »FREI«. Ich suche noch ein echtes Himmelbett, einstweilen habe ich drei Betten aufeinandergestellt und davor einen Vorhang angebracht. Es sieht ziemlich echt aus. Einen gemalten Himmel aus dem Jahre 1790 habe ich schon.
Im Winter liegen etwa drei Meter Schnee. Unglücklicherweise liegt der Ort an der Bezirksgrenze. So fährt der Schneepflug vom Nachbarort Jablonec von einer Seite bis zwanzig Meter in den Ort und dreht um. Ähnlich ist's am anderen Ende mit dem Friedländer. Die Ortsmitte bleibt schneeverweht. So können Gasthaus, Kaufladen und Werkküche im Winter nicht versorgt werden.
Das Haus wird immer bekannter. So werden schon Autobusfahrten Schloß Friedland - Bad Liebwerda - Heynitzer Kirche - Misthaus durchgeführt. Von der Leipziger Fotohochschule waren zwei da, die einen Film davon machen wollten. Als ich merkte, daß es ausgelernte Schlosser und Tischler waren, tauschte ich schnell einen guterhaltenen, aber nicht stilechten Schrank gegen stilechte Schrankteile um. Während eines Regentages machten sie mir einen Schrank daraus. Zwei Wochen später landete vor dem Haus ein Flugzeug. Es stiegen Mitarbeiter des Prager Fernsehens aus und fragten, ob sie eine Aufnahme im Haus machen könnten. Als sie es besichtigt hatten, eine Führung dauert 2 Stunden, mit Lachen 3 Stunden, Kurzführung 20 min, sagten sie: »Das gibt einen ganzen Film!« Zwei Tage lang wurden Haus und Umgebung gefilmt.
Im Ort ist ein Erholungsheim, wo ich Vorträge halte. Wenn ca. 60 Zuschauer kommen, ist das in einem Ort mit vier ständigen Einwohnern eine verhältnismäßig größere Beteiligung, alw wenn in Dresden 2000 Leute anwesend sind. Von diesem Erholungsheim fährt jeden Sonntag ein Autobus nach Prag und nimmt mich mit.
Es hat viele Vorteile, daß das Haus in einer so schönen Gegend liegt. Zu manchen Prüfungen muß ich nicht erst nach Prag fahren, weil die Examinatoren gern ein Wochenende an der Iser verbringen. Es kommen auch viele Aufbauhelfer, besonders aus der DDR machen viele Urlaub im urwüchsigen Isergebirge. An Schlechtwettertagen wird dann gebaut. Das Angebot ist so groß, daß ich mir den jeweils benötigten Handwerker aussuchen kann.
WELCHER TISCHLER, ZIMMERMANN, ELEKTRIKER, MAURER, MALER, USW. MÖCHTE EINMAL EINIGE SCHÖNE TAGE IM ISERGEBIRGE VERBRINGEN?
Gustav Ginzel
Abschrift unseres Ausdrucks von ca. 1996